Venenerkrankungen

Varikosis – der Krampf mit den Adern

Sie sehen aus wie dicke blaue Würmer, die sich unter der Haut schlängeln: Diagnose Krampfadern. Anfangs stellen die erweiterten Gefäße nur ein kosmetisches Problem dar. Unbehandelt können Krampfadern mit der Zeit jedoch zu verschiedenen Beschwerden und teilweise ernsten Komplikationen führen. Eine Seltenheit sind Krampfadern leider nicht, vielmehr gehören sie zu den häufigsten Krankheitsbildern in Deutschland. Rund 60% aller Deutschen weisen Venenveränderungen unterschiedlicher Ausprägung auf – und suchen Beratung in der Apotheke. Es lohnt sich also, sich mit dem Thema näher auseinanderzusetzen. Die wichtigsten Informationen zu Beschwerdebild, Diagnose, Therapieverfahren und möglichen Komplikationen bei Krampfadern haben wir für Sie im folgenden Artikel zusammengestellt.

Der Begriff Krampfadern (Varizen, Krankheitsbild Varikosis) stammt von dem mittelhochdeutschen Wort "Krummadern", bedeutet also krumme, geschlängelte Adern. Medizinisch betrachtet sind Krampfadern jedoch nicht nur krumm und geschlängelt, sondern vor allem auch erweitert und dadurch oberflächlich sichtbar. Krampfadern entstehen auf der Basis eines insuffizienten Venensystems. Die Hauptaufgabe der Venen ist der Transport von Blut zum Herz gegen die Schwerkraft. Dabei spielt neben der Pumpleistung des Herzens die Beinmuskulatur eine Rolle. Bewegung fördert den Bluttransport in Richtung Herz. In den Venen befinden sich Venenklappen, die wie Ventile arbeiten und den Rückfluss des Blutes verhindern. Staut sich das Blut in den Beinen, kommt es zu einer Überdehnung und Ausbuchtung der Venen. Die Venenwand wird umgebaut, kann dem venösen Blutdruck nicht genügend Widerstand entgegenbringen und es bilden sich Krampfadern. Die Venenklappen der erweiterten Venen können nicht mehr ausreichend schließen, was den Blutstau in Richtung Fuß weiter verschlimmert.

Die Klappeninsuffizienz verursacht eine Strömungsumkehr und die Venen werden dadurch funktionsunfähig. Der damit einhergehende Stau in den Venen verursacht eine weitere Erweiterung der Venen, die sich nun auch zunehmend schlängeln. Es können viele Jahre vergehen, bis eine nicht sichtbare, lediglich dilatierte Vene mit Klappeninsuffizienz zu einer sichtbaren, geschlängelten Krampfader entartet!

Unterschieden wird zwischen primärer und sekundärer Varikosis. Mit über 90% ist die primäre Varikosis die bei Weitem häufigste Krampfaderform. Sie entsteht auf der Basis einer angeborenen Bindegewebsschwäche. Begünstigt werden primäre Varikosen durch Estrogene, weshalb Frauen auch häufiger von Krampfadern betroffen sind als Männer. Vor allem während einer Schwangerschaft mit ihrem erhöhten Estrogenspiegel ist das Risiko für Krampfadern hoch. So entwickelt etwa jede dritte Schwangere Varizen, die sich jedoch nach der Geburt größtenteils wieder zurückbilden. Weitere Risikofaktoren für die Entstehung eines Krampfaderleidens sind Bewegungsmangel sowie Alter, Übergewicht und Rauchen. Sekundäre Varikosen entstehen durch eine Abflussbehinderung im tiefen Venensystem, z. B. bei Thrombosen oder Tumoren.

… am Stamm oder am Seitenast …

Nach morphologischen Kriterien werden mehrere Typen von Varizen unterschieden:

  • Stammvenen-Varizen
  • Seitenast-Varizen
  • Perforans-Varizen
  • Retikuläre-Varizen
  • Besenreiser-Varizen

… und in verschiedenen Schweregraden

Des Weiteren wird die primäre Varikosis nach ihrem Schweregrad unterteilt.

  • Stadium 1: geringfügige Varikosis; keine (nennenswerten) Beschwerden; keine Komplikationen.
  • Stadium 2: Varizen; Beschwerden (Dysästhesien, Juckreiz, Schweregefühl, Spannungsgefühl, leichte Schwellneigung, Wadenkrämpfe, Schmerzen etc.); keine Komplikationen.
  • Stadium 3: deutliche Varikosis; Beschwerden wie im Stadium 2; Komplikationen: trophische Hautstörungen (Induration, Pigmentierungen, Dermatitis, Ekzem, Atrophie); Thrombophlebitis etc.
  • Stadium 4: ausgedehnte Varikosis; Beschwerden wie in Stadium 2, Komplikationen wie in Stadium 3; darüber hinaus jedoch auch Entstehung eines Ulcus cruris.

Ab dem Stadium 2 gelten Varikosen nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie als medizinisch relevant und therapiebedürftig. Unbehandelt ist ihr Verlauf von einer hohen Inzidenz an Komplikationen geprägt wie chronische Ödeme, trophische Hautstörungen, Ulcus cruris, Varikophlebitis und tiefe Beinvenenthrombosen. So wiesen z. B. in der Baseler Studie, einer zwischen 1958 und 1978 durchgeführten großen prospektiven epidemiologischen Untersuchung bei Berufstätigen, die Träger einer krankhaften Varikosis bis zu 20-mal häufiger Komplikationen im Venensystem auf als gleichaltrige varizenfreie Probanden (Widmer, L. K.; et al.: Baseler Studie I-III, 1958-1978, Huber-Verlag, Bern 1981).

Diagnostik im Additionsverfahren

Um Krampfadern adäquat behandeln zu können, muss zunächst diagnostisch die Art des Venenleidens ermittelt werden. Liegt eine primäre oder eine sekundäre Varikosis vor? Ist die Varikosis klinisch relevant? Liegen hämodynamische Störungen vor und wenn ja, welcher Art? Ist das tiefe Venensystem beteiligt und lässt sich eine begleitende periphere arterielle Verschlusskrankheit ausschließen? Diese Fragen müssen im Rahmen der Diagnose geklärt werden. Als Standardverfahren gelten hierfür:

  • Ultraschall-Dopplersonografie
  • Lichtreflexionsrheographie und Photoplethysmographie
  • Venenverschlussplethysmographie
  • Sonographie
  • Duplexsonographie
  • Thermographie
  • Phlebodynamometrie
  • Phlebographie

Die genannten Untersuchungsmethoden sind keine konkurrierenden Verfahren, sondern ergänzen sich vielmehr. Unter Beachtung ihrer unterschiedlichen Aussagekraft und der Bewertung unterschiedlicher funktioneller und morphologischer Kriterien bieten sie in der Addition ein Höchstmaß an diagnostischer Zuverlässigkeit.

Therapie: Konservativ, Verödung, Operation

Für die Behandlung von Krampfadern kommen neben konservativen und Verödungsmaßnahmen verschiedene operative Verfahren in Betracht. Eine absolute Priorität für eine bestimmte Behandlungsmethode gibt es den Leitlinien der Gesellschaft für Gefäßchirurgie zufolge nicht. Grundsätzlich sei immer und in jedem Stadium der Erkrankung auch unter Berücksichtigung der Komplikationen eine konservative Therapie möglich. Dabei sei zu beachten, dass der Effektivität konservativer Maßnahmen in bestimmten Situationen, bei bestimmten Befunden und bei Kompressionsmaßnahmen insbesondere unter Berücksichtigung des Faktors Alter und begleitender sonstiger Erkrankungen, Grenzen gesetzt seien. Nach Möglichkeit sei eine Sanierung der Varikosis anzustreben. Bei Insuffizienz der Stammvenen sowie der Perforans-Venen ist die operative Sanierung der Varikosis die Therapie der Wahl.

Konservativ: Kompression und Arzneimittel

Die konservative Therapie umfasst Kompressionsverbände, medizinische Kompressionsstrümpfe und Venentherapeutika. Für die Dauertherapie sind Kompressionsstrümpfe besser geeignet als -verbände. Um mit ihnen eine Verbesserung der venösen Hämodynamik zuverlässig und dauerhaft zu erreichen, müssen sie allerdings nicht nur materialtechnisch hohen Qualitätsansprüchen genügen, sondern vor allem auch sachgerecht angepasst werden.

Für die Arzneitherapie von Krampfadern stehen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung, die oral und/oder lokal applizierbar sind. Dazu gehören:

  • chemisch definierte Venentherapeutika wie Calciumdobesliat, O-(beta-Hydroxyethyl)-rutoside, Troxerutin sowie Heparin/Heparinoide.
  • pflanzliche Venentherapeutika wie Rosskastanienextrakt, Mäusedornextrakt, Extrakt aus rotem Weinlaub, Steinkleekraut, japanischer Schnurbaum, Buchweizenkraut
  • homöopathische Venentherapeutika wie Aesculus hippocastanum D1, Arnica D1, Hamamelis D3, Pulsatilla D4

Die Wirksamkeit von Venentherapeutika ist umstritten. Die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie schreibt in ihren Leitlinien dazu: "Verlässliche Untersuchungen zur medikamentösen Therapie bei primärer Varikosis im unkomplizierten Stadium liegen nicht vor. Aus theoretischen Überlegungen kann davon ausgegangen werden, dass peroral einzunehmende oder auch lokal applizierbare Medikamente, wenn überhaupt, nur marginal verbessernden Einfluss auf die pathophysiologischen Vorgänge im Zusammenhang mit der primären Varikosis nehmen können. Der Applikation von ödemprotektiven und diuretischen Substanzen kommt nur eine additive Bedeutung neben der im Vordergrund stehenden Kompressionsbehandlung zu."

Veröden: Vor allem für die Seiten geeignet

Die wesentliche Bedeutung der Verödungstherapie liegt in der Behandlung von Seitenast-Varizen sowie Besenreiser- und retikulären Varizen. Bei letzteren beiden Varizenarten ist die Verödung allerdings weniger eine medizinische als vielmehr eine kosmetische Maßnahme, ausgenommen offene Varizenblutungen aus retikulären Varizen. Die Verödungsbehandlung der Stammvenen sollte wegen der hohen Rezidivrate (über 50%) nur in Ausnahmefällen, etwa als Palliativmaßnahme, zur Anwendung kommen. Das Prinzip der Verödung besteht darin, durch Injektion einer gewebetoxischen Substanz (Macrogollaurylether) in eine Varize einen lokalen Endothelschaden zu erzeugen und durch eine begleitende Kompressionsmaßnahme ein ,,Veröden" des Venenabschnittes zu erzielen. Unter Beachtung der Indikationen sowie sachgerechter Durchführung stellt die Verödungstherapie ein effektives, kostengünstiges und komplikationsarmes Behandlungsverfahren dar.

Operation: Kaputte Venenabschnitte entfernen

Das Prinzip der operativen Varizenbehandlung besteht in der Entfernung der degenerativ veränderten Venenanteile und der Unterbrechung der insuffizienten Verbindungen des epifascialen Venensystems zum tiefen Venensystem. Die operative Entfernung sollte sich gezielt auf die erkrankten Venenanteile beschränken. Folgende Operationsmethoden kommen zum Einsatz:

"Stripping" der erkrankten Anteile der Stammvenen (an der Innenseite des Beins und evtl. auch im Wadenbereich). Hierzu werden die betroffenen Abschnitte der Venen auf eine dünne Sonde aufgefädelt und dann komplett herausgezogen. Seitenäste müssen durch gesonderte Schnitte entfernt werden.

lokale Entfernung der Krampfadern ohne die Stammvenen: Per Schnitt werden diese Venen ausgezogen.

"Shaving": Hierbei werden der Venenstamm und die Seitenäste mithilfe eines Endoskopes, das mit einem Fräskopf versehen ist, abgefräst.

Laserverödung von der Gefäßinnenseite: Der Venenstamm wird durch eine Lasersonde, die wie beim Stripping in das Gefäßinnere der erkrankten Stammvene eingeführt wird, verödet. Seitenäste müssen durch kleine Schnitte gesondert entfernt werden.

"Radiowellentherapie": Ebenfalls über einen Katheter vom Gefäßinneren aus, aber besser steuerbar und damit schonender als die Lasermethode, verschließen hier hochfrequente Ströme unter Erzeugung genau steuerbarer Temperatur, die Gefäße. Die Methode ist besonders sicher und schonend und kann auch ambulant und in örtlicher Betäubung vorgenommen werden.

"Kryochirurgie": Eine Sonderform des Strippings. Hierbei wird eine Sonde, deren Spitze durch flüssigen Stickstoff extrem abgekühlt werden kann, in die Venenstämme eingeführt und die angefrorenen Venen ausgezogen.

Die unterschiedlichen OP-Methoden können untereinander kombiniert und variiert werden.

Ob konservative Therapiemaßnahmen gewählt werden, eine Verödung erfolgt oder kranke Venenabschnitte operativ entfernt werden, prinzipiell gilt, dass die primäre Varikosis eine unheilbare und progrediente Erkrankung ist. Zur Sicherung des langfristigen Erfolges einer bereits eingeleiteten oder erfolgten Therapie und zur Abschätzung der Progredienz der Erkrankung mit gegebenenfalls rechtzeitiger Einleitung von Anschlussbehandlungen sollten daher regelmäßige Kontrolluntersuchungen stattfinden.

Quelle

Leitlinien zu Diagnostik und Therapie in der Gefäßchirurgie. Hrsg. vom Vorstand der Dt. Ges. f. Gefäßchirurgie; Deutscher Ärzteverlag, Köln, 105 ff (1998).

www.gefaesschirurgie.de

www.netdoktor.de

ww.rote-liste.de

Dr. Beatrice Rall
Die typischen Symptome
  • geschwollene Beine, vor allem abends
  • schwere, gespannte Beine
  • sichtbare Erweiterung der Hautvenen
  • Entzündung der Venen und der darüber liegenden Hautareale
  • Thrombenbildung in den entzündeten Venen
  • Juckreiz, Ekzeme,Hautpilzerkrankungen
  • zunehmende Atrophie der Haut
  • schlecht heilende Unterschenkelgeschwüre
Komplikationen bei Krampfadern
  • Ödeme: Wassereinlagerung im die Krampfadern umgebenden Gewebe, verbunden mit einer verringerten Sauerstoffzufuhr in den Zellen, was in der Folge zu Entzündungen und Hautveränderungen führt.
  • Hautveränderungen: Verschiebung der Pigmentierung. Braunfärbung (Purpura jaune d‘ocre) durch Abbauprodukten aus geschädigten Zellen oder über Narbenbildung durch schleichende Entzündungen eine porzellanartige Weißfärbung (Atrophia blanche).
  • Ulcus cruris: Unterschenkelgeschwür als Folge der schlechten Durchblutung.
  • Phlebitis/Thrombophlebitis: Entzündung der oberflächlichen Venen. Bildet sich im Entzündungsbereich zusätzlich ein Blutgerinnsel, spricht man von einer Thrombophlebitis.
  • Phlebothrombose: Verschluss von tiefen Venen durch ein Blutgerinnsel.

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