Schweizer Studie

Wenn Ärzte dispensieren, steigen die Kosten

Bern - 29.04.2014, 13:56 Uhr


Wenn Ärzte Arzneimittel abgeben dürfen, steigen die Kosten für Arzneimittel und für die Gesundheit insgesamt. Dies liegt als Idee nahe, weil das ärztliche Dispensierrecht Fehlanreize für zusätzliche Verordnungen bietet. Nun konnte dieser Zusammenhang auch empirisch gezeigt werden. Dazu verglichen Ökonomen der Universität Bern das Verschreibungs- bzw. Abgabeverhalten von Ärzten in schweizerischen Kantonen mit und ohne Dispensierrecht.

Die Schweiz erscheint dafür als ideales Studiengebiet. Denn dort gibt es bei vergleichbaren Lebensverhältnissen, identischem Gesundheitssystem und landesweit einheitlichen Preisen für verschreibungspflichtige Arzneimittel Kantone mit unterschiedlichem Dispensierrecht. In einigen Kantonen dürfen Ärzte Arzneimittel abgeben, in anderen nicht und in manchen nur unter besonderen Bedingungen.

Boris Kaiser und Christian Schmid von der Universität Bern verglichen das Verschreibungsverhalten von 1416 dispensierenden und 1908 nicht-dispensierenden Ärzten (ohne Psychiater) in der deutschsprachigen Schweiz in der Zeit von 2008 bis 2010. Bei den dispensierenden Ärzten waren sowohl die Arzneimittelkosten als auch die sonstigen erfassten Behandlungskosten, jeweils pro Patient und Jahr, im Durchschnitt deutlich höher als bei den nicht-dispensierenden Ärzten. Die Autoren bereinigten die Daten anhand diverser Unterschiede zwischen den beiden Ärztegruppen, beispielsweise Facharztgruppe, Altersverteilung der Patienten und Eigenschaften der Region. Daraufhin ergaben sich für dispensierende Ärzte um etwa 75 Schweizer Franken bzw. etwa 30 Prozent höhere Arzneimittelausgaben pro Patient und Jahr als für nicht-dispensierende Ärzte. Die übrigen erfassten Gesundheitsausgaben waren bei den dispensierenden Ärzten um etwa 98 Franken bzw. etwa 20 Prozent höher.

Kaiser und Schmid folgern, dass die finanziellen Anreize die Ärzte zu vermehrten oder teureren Verordnungen bzw. Abgaben veranlassen. Die Autoren halten diese Erkenntnisse für hochgradig relevant, um Gesundheitsausgaben durch die Gestaltung des Dispensierrechts zu reduzieren. Mehr über die Studie erfahren Sie in der DAZ 18, die am 1. Mai erscheint.

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Dr. Thomas Müller-Bohn


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