Apothekenbetriebsordnung

Bahr: Wir haben die Sorgen der Apotheker ernst genommen

Berlin - 01.02.2012, 10:30 Uhr


Mit der Verabschiedung der Novelle der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sieht Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) die Rolle und Bedeutung der inhabergeführten Apotheke „eindeutig“ gestärkt.

Bahr begründete die zuletzt vorgenommenen Änderungen hinsichtlich der zunächst vorgesehenen Privilegierungen von Filialapotheken. Das Bundesgesundheitsministerium sei immer gegen eine „Apotheke light“ gewesen. Auch die vorgesehenen „Erleichterungen“ für Filialapotheken hätten „niemals eine „Apotheke light“ zur Folge gehabt“, sagte Bahr. Trotzdem habe er sich anders entschieden: „Aber ich habe die Sorge akzeptiert, dass dies zu unterschiedlichen Wettbewerbssituationen zwischen Filial- und Einzelapotheken hätte führen können. Wir haben das zwar nicht so gesehen. Aber jeder Politiker, der nur stur etwas durchboxen will, wird seiner Aufgabe nicht gerecht. Ich habe die Argumente abgewogen und diesem, wie ich glaube vernünftigen, Kompromiss zugestimmt“, so Bahr zu DAZ.online.  

DAZ.online: Die Apothekerverbände sind gegen die „Apotheke light“, den zunächst vorgesehenen Privilegierungen von Filialapotheken, Sturm gelaufen. Auch aus den Ländern und der Union kündigte sich Widerstand dagegen an. Haben Sie die Argumente der Apotheker überzeugt oder war der politische Widerstand ausschlaggebend, die ApBetrO in diesem wichtigen Punkt nochmals zu ändern?

Bahr: Es gibt keine Korrektur. Das Bundesgesundheitsministerium ist weiterhin gegen eine „Apotheke light“. Wir hatten Erleichterungen für Filialapotheken vorgesehen. Das heißt aber nicht, dass sie ihre Pflichten nicht mehr zu erfüllen gehabt hätten. Sie hätten diese nur selbst organisieren können. Dieser Vorschlag kam übrigens aus der Apothekerschaft selbst. In der Diskussion haben wir aber festgestellt, dass viele damit Sorgen hatten und es der Wunsch war, alle Apotheken gleich zu behandeln. Das haben wir jetzt so vorgesehen. Das ist jetzt ein vernünftiger Kompromiss.

DAZ.online: In Ihrem ersten Entwurf hatten Sie aber noch unterschiedliche Vorgaben beispielsweise für die Laborausstattung vorgesehen.

Bahr: Es gab zu Beginn der Diskussion sehr unterschiedliche Wünsche aus der Apothekerschaft. Aber ich habe die Sorge akzeptiert, dass dies zu unterschiedlichen Wettbewerbssituationen zwischen Filial- und Einzelapotheken hätte führen können. Wir haben das zwar nicht so gesehen. Aber jeder Politiker, der nur stur etwas durchboxen will, wird seiner Aufgabe nicht gerecht. Ich habe die Argumente abgewogen und diesem, wie ich glaube vernünftigen Kompromiss zugestimmt. Aber nochmals: Auch unser erster Vorschlag hätte niemals eine „Apotheke light“ zur Folge gehabt. Ich habe immer für die inhabergeführte Apotheke gekämpft. Ich habe mich damit ja auch gegen den Normenkontrollrat und andere gestellt. 

DAZ.online: Auch Versandapotheken sollen künftig den Beratungs- und Informationsbedarf ihrer Kunden durch Nachfrage feststellen. Was bedeutet das: Muss jede Versandapotheke vor Abgabe eines Arzneimittels mit dem Besteller zwingend Kontakt aufnehmen? Wie wollen Sie das bei ausländischen Versandapotheken durchsetzen? 

Bahr: Die Apothekenbetriebsordnung ist so etwas wie das Grundgesetz für Apotheken. Da wird ein Rahmen vorgegeben und nicht jedes Detail geregelt. Wir wollen, dass jeder Patient, der ein Arzneimittel bezieht, Anspruch auf eine gute Beratung erhält. Egal ob er das Arzneimittel in einer Offizin-Apotheke erhält oder über eine Versandapotheke bezieht. Wichtig ist, dass die Beratung im Mittelpunkt steht und auch tatsächlich in Anspruch genommen werden kann. Das muss jetzt mit Leben gefüllt werden. Das zeigt unseren anderen Ansatz. Wir wollen damit unterstreichen, dass Arzneimittel ein ganz besonderes Gut sind, das beratungsintensiv ist. Daher wollen wir die Beratung nochmals stärken.

DAZ.online: Das sind gute Vorsätze. Wie aber soll das in der Praxis der Versandapotheke umgesetzt werden?

Bahr: Der Apotheker und die Apothekerin haben besondere Rechte und Pflichten. Und beides muss, egal auf welchem Vertriebsweg, erfüllt werden. Darum geht es. Auch in der Offizin gab es gelegentlich Kritik an mangelnder Beratung. Wir müssen die Dinge daher mit dem gesunden Menschenverstand angehen. Es wäre realitätsfremd, wenn wir bei jeder Arzneimittelabgabe eine ausführliche Beratung mit Dokumentation vorschreiben würden. Wichtig ist daher: Die Versandapotheke muss ein konkretes Beratungsangebot machen. Der Versandapotheker muss entscheiden, wann eine Beratung besonders wichtig ist und wenn erforderlich, aktiv auf den Besteller zugehen. 

DAZ.online: Die Versandapotheken müssen also aktiv den Beratungsvorgang auslösen, sie können nicht einfach abwarten, bis der Patient Fragen stellt?

Bahr: Es ist unsere Vorstellung, dass auch Versandapotheken aktiv Beratungsangebote unterbreiten und damit dem besonderen Charakter einer Apotheke gerecht werden. Es geht ja nicht nur um den Vertriebsweg. Auch die Versandapotheke muss alle Rechte und Pflichten erfüllen. Wir wollen keine Rosinenpickerei.

DAZ.online: Ein Qualitätsmanagementsystem wird mit der neuen Apothekenbetriebsordnung für alle Apotheken verpflichtend eingeführt, auch für die Kernaufgabe der Apotheker, die Beratung der Patienten. Das bedeutet mehr Papierkram. Die bürgerliche Koalition wollte eigentlich Bürokratie abbauen. Wie passt das zusammen?

Bahr: Die meisten Apotheken, insbesondere die mit besonderen Aufgaben, haben schon heute ein funktionierendes QMS. Das hat sich in den letzten Jahren so entwickelt. In der Diskussion hat sich dann gezeigt, dass ein QMS für alle Apotheken das zukunftsweisendere System ist. Deshalb sind wir diesen Schritt jetzt mutig gegangen. QMS soll die Arbeit in den Apotheken ja auch erleichtern und besser strukturieren. QMS soll ein Arbeitsmedium und kein Kontrollmechanismus werden und vor allem die Qualität erhöhen.

DAZ.online: Ihr Fazit der ApBetrO: Sehen Sie die inhabergeführte, heilberuflich ausgerichtete Apotheke gestärkt? Ist die Schmalspurapotheke, oft auch als „Apotheke light“ oder „Kiosk-Apotheke“ bezeichnet, damit auf absehbare Zeit vom Tisch?     

Bahr: Ich sehe in der ApBetrO ganz eindeutig eine Stärkung der inhabergeführten Apotheke. Wir stellen den Grundgedanken der Beratung durch den Apothekeninhaber in den Mittelpunkt. Wir bauen überflüssige Regelungen ab. Wir modernisieren die Apothekenbetriebsordnung, wir passen sie an eine inzwischen veränderte Realität an. Aber wir stärken den Grundgedanken, dass der Apotheker unabhängig sein soll: Er soll unabhängig beraten, denn das Arzneimittel ist und bleibt ein besonderes Gut, das nicht vergleichbar ist mit anderen Waren.

DAZ.online: Die Debatte lief aber nicht immer so harmonisch, wie Sie jetzt das Ergebnis darstellen.

Bahr: Das gehört zu Politik. Ich habe mich auch über den einen oder anderen Punkt, die eine oder andere Kritik und Bemerkung geärgert. Aber für mich war immer wichtig, die inhabergeführte Apotheke nicht infrage zu stellen. Ich wollte nie einer „Kiosk-Apotheke“ den Weg frei machen. Ich habe mich überzeugen lassen. Sorgen bestanden vor allem darin, dass die zunächst vorgesehenen Erleichterungen für Filialapotheken hätten von anderen dazu genutzt werden können, das gesamte System zu ändern. Anders als die SPD wollen wir keine Apothekenketten. Die Grünen wollen Ketten schon seit Langem. Für Rot-Grün hätte das möglicherweise ein Einstieg sein können in ein völlig anderes Apothekensystem. Auch deswegen haben wir das nicht gemacht.

DAZ.online: Was können die Apotheker in dieser Legislaturperiode sonst noch von der Gesundheitspolitik dieser Bundesregierung erwarten? Die Stichworte lauten: Pick-up-Verbot, Honorar, Rx-Boni.

Bahr: Ich bin noch voller Tatendrang. Wir wollen mit der AMG-Novelle noch einige wichtige Themen aufgreifen. Mein Ziel ist es, die Wettbewerbsverzerrung zwischen deutschen und ausländischen Versandapotheken zu beseitigen und damit auch die Rx-Boni abzuschaffen. Wir wollen da nicht auf die ausstehende Gerichtsentscheidung warten und klar regeln, dass die Arzneimittelpreisverordnung auch für ausländische Versandapotheken ohne Wenn und Aber gelten muss. Der jetzige Zustand ist nicht fair. 

DAZ.online: Es gibt in der Apothekerschaft Klagen über übertriebene Retaxationen von Krankenkassen.

Bahr: Wir werden die Aufsichtsbehörden dazu anhalten, den Retaxations-Unsinn einiger Krankenkassen zu beenden. Ich kann den Ärger der Apotheker hier verstehen. Das ist in der Tat überzogen. Dafür musste kein Gesetz geändert, aber die Aufsicht aktiviert werden. 

DAZ.online: Können die Apotheker auf eine Verbesserung des Honorars hoffen?

Bahr: Wir haben darüber in der Koalition noch nicht diskutiert. Das wird bald erfolgen. Aber: Die erfolgten Einsparungen können und werden wir dabei nicht infrage stellen. Das ist entschieden, daran wollen wir nicht rütteln. Das gilt im Übrigen auch für alle anderen Sparbereiche. In diesem Jahr wird über den Abschlag ab 2013 verhandelt. Uns ist bekannt, dass der Großhandel die neue Vergütung zur Stärkung seiner Position genutzt hat.

DAZ.online: Und was geschieht mit dem immer wieder versprochenen Pick-up-Verbot?

Bahr: Ich bin seit Jahren ein erklärter Gegner von Pick-up. Aber ich stoße dabei an meine verfassungsmäßigen Grenzen. Mit der Anwendung der deutschen Preisvorschriften für ausländische Versandapotheken leisten wir bereits einen wichtigen Beitrag zu diesem Thema. Aber es ist schwer, die Vorschläge für ein Pick-up-Verbot juristisch einwandfrei und verfassungskonform umzusetzen. Das prüfen wir zurzeit, vor allem mit dem Justiz- und Innenministerium. Leider haben wir aber noch keinen Durchbruch. Es ist so, dass beide Verfassungsressorts schon bei anderen Vorschlägen für ein Pick-up-Verbot mit Blick auf die Berufsausübungsfreiheit besonders kritisch waren. Wir bleiben dran.

DAZ.online: Herr Bahr, vielen Dank für das Gespräch. 


Lothar Klein