WHO-Gesundheitsbericht

Den Europäern geht es gut, aber…

Remagen - 29.09.2015, 09:00 Uhr

Die Europäer füttern ihre Risikofaktoren. (Foto: Tom Wang/Fotolia)

Die Europäer füttern ihre Risikofaktoren. (Foto: Tom Wang/Fotolia)


Die Europäer rauchen und trinken zu viel und sind zu dick. Diese vielleicht nicht ganz so überraschende Erkenntnis geht aus dem Europäischen Gesundheitsbericht 2015 hervor, den das WHO-Regionalbüro für Europa veröffentlicht hat. Die Flaggschiff-Publikation wird alle drei Jahre vorgelegt, um über bislang erzielte Fortschritte in Bezug auf das Programm „Gesundheit 2020“ in der Region Bericht zu erstatten.

Im Jahr 2012 haben die 53 Mitgliedstaaten in der Europäischen Region der WHO „Gesundheit 2020“ als neues gesundheitspolitisches Rahmenkonzept angenommen. Dessen Ziele sind, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung zu verbessern, Ungleichheiten im Gesundheitsbereich abzubauen, die öffentliche Gesundheit zu stärken und nachhaltige bürgernahe Gesundheitssysteme zu gewährleisten, die allgemein zugänglich sind und Chancengleichheit sowie qualitativ hochwertige Leistungen bieten. Im Jahr 2013 billigten die Mitgliedstaaten einen Rahmen, um die Umsetzung und Wirkung des Programms zu überwachen. Für die Erfolgskontrolle wurden sechs Dachziele formuliert.

Alkohol, Tabak und Übergewicht Hauptrisikofaktoren

Der neue Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die  Europäische Region hinsichtlich des Dachziels „Senkung der vorzeitigen Mortalität aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes und chronischen Atemwegserkrankungen“ zwar auf Kurs ist. Die Raten des Alkohol- und Tabakkonsums sowie von Übergewicht und Adipositas, die zu den Hauptrisikofaktoren für vorzeitige Mortalität zählen, blieben aber alarmierend hoch. So lag der Per capita-Alkoholkonsum bei den über 15-Jährigen im Jahr 2010 bei 10,9 Litern und die Prävalenz der Alkoholabhängigkeit bei 4,0 Prozent bzw. von Alkohol-bedingten Krankheiten bei 7,5 Prozent. Zum Vergleich global: 6,2 Liter bzw. 2,9 und 4,1 Prozent.

Hinsichtlich Übergewicht und Adipositas rangiert Europa mittlerweile nur geringfügig hinter der Region Gesamtamerika (61 % Übergewichtige und 27 % Adipöse). Die höchsten Raten in der erwachsenen Bevölkerung finden sich in der Türkei, wo im Jahr 2014 rund zwei Drittel der Menschen als übergewichtig und fast 30 Prozent als fettleibig eingestuft wurden. In Deutschland waren es ca. 55 Prozent bzw. rund 20 Prozent. Die Adipositas wird in dem Bericht als eine der größten Herausforderungen der Volksgesundheit des 21. Jahrhunderts bezeichnet. In vielen Ländern der Europäischen Region der WHO hat sich ihre Prävalenz seit den 1980er Jahren verdreifacht.

Die Unterschiede zwischen den Ländern hinsichtlich der Lebenserwartung bei der Geburt sind im Lauf der Zeit kleiner geworden, aber die absoluten Divergenzen bleiben nach wie vor  beträchtlich. Für Deutschland wird die Lebenserwartung bei der Geburt nach Durchschnittswerten aus 2011 für Frauen mit 83,4 Jahren und für Männer bei 78,7 Jahren angegeben. Damit leben die Deutschen rund zehn Jahre länger als zum Beispiel die Russen und die Ukrainer.

Künftig sollen auch subjektive Daten berücksichtigt werden

Die WHO weist darauf hin, dass bei der Gesundheitsberichterstattung künftig subjektiven und qualitativen Daten zum Wohlbefinden und zur Lebenszufriedenheit, mehr Gewicht beigemessen werden soll. „Wir wollen unser Verständnis von Gesundheit und Wohlbefinden in Zukunft zunehmend jenseits der traditionellen Disziplinen vertiefen und prüfen. Hierzu brauchen wir neue Formen der Evidenz„ sagt Dr. Claudia Stein, Leiterin der Abteilung für Information, Evidenz, Forschung und Innovation des WHO-Regisonalbüros für Europa. „Diese sollen kein Ersatz sein, sondern eher eine Ergänzung zu traditionellen Formen der Systemüberwachung. Wir haben in Sachen Gesundheitsinformationen eine spannende Reise vor uns.“


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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