„Pink Viagra“

Unterschiedliche Erwartungen an Addyi

Berlin - 12.08.2015, 16:45 Uhr

Eine neue Pille soll die Lust der Frau wecken. (Foto: Mathier/Fotolia)

Eine neue Pille soll die Lust der Frau wecken. (Foto: Mathier/Fotolia)


Die Zulassung von Flibanserin – dem „Pink Viagra“ – in den USA schlägt im Sommerloch hohe Wellen in den deutschen Medien. Die einen Experten warnen vor dem neuen Arzneimittel, andere halten es für „bemerkenswert“. Prof. Manfred Schubert-Zsilavecz von der Universität Frankfurt erwartet, dass Flibanserin auch bald nach Europa kommt. Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte liegt allerdings noch kein Zulassungsantrag vor.

Schubert-Zsilavecz, Professor für Pharmazeutische Chemie in Frankfurt und seit 2003 wissenschaftlicher Leiter des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL) in Eschborn, zeigt sich Addyi® gegenüber aufgeschlossen: Der Wirkstoff Flibanserin sei mit seiner Wirkweise im zentralen Nervensystem „bemerkenswert“, sagte er der dpa. Er wirke in besonderer Weise auf die Serotonin-Rezeptoren. Der Pharmazeut ist überzeugt:  „Es wird nicht lange dauern, bis die Substanz auch nach Europa kommt". Bei indikationsgemäßer Anwendung handele es sich auch nicht um ein Lifestyle-Medikament, sondern um ein Arzneimittel. Es sei nicht für 30-Jährige gedacht, die der Meinung seien, sie müssten öfter Sex haben.

Auch der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim, der den Wirkstoff einst entwickelt hat, ist mit der Zulassung in einer ganz anderen als der zunächst beabsichtigten Indikation zufrieden. Das Unternehmen begrüße die Entscheidung, weil damit Frauen, die an vermindertem sexuellem Verlangen litten, geholfen werden könne, teilte Boehringer auf Anfrage der dpa mit.

Zweifel an der Wirksamkeit

Dagegen sieht die „TV-Sex-Expertin“ und Autorin Ann-Marlene Henning („Make Love“, ZDF) in „Pink Viagra“ keinen Grund zur Freude für Frauen. „Wer möchte denn freiwillig ein Psychopharmakon einnehmen, um mehr Lust zu haben? Das ist so ein Eingriff in den Körper“, sagte sie der dpa.

Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung, Jakob Pastötter, ist kritisch: „Die Wirkung ist gering. Wer will guten Gewissens sagen, dass diese Pille verlässlich funktioniert?“. Er befürchtet, dass viele Frauen sie mit großen Erwartungen nehmen werden und dann merken: „Da passiert ja gar nichts“. Aus Erfahrung mit Viagra wüssten Sexualtherapeuten, dass sich viele der eigentlichen Probleme nicht durch Medikamente lösen ließen.

Tatsächlich ist Addyi® nicht nur wegen seiner Wechsel- und Nebenwirkungen mit Vorsicht zu genießen. Auch die Wirksamkeit von Flibanserin ist eher gering. Es dürfte seine Gründe haben, warum das Arzneimittel drei Anläufe bei der FDA brauchte. In den Zulassungsstudien half das Mittel rund 40 bis 60 Prozent der damit behandelten Frauen. Der Beipackzettel soll laut FDA den Hinweis enthalten, das Medikament abzusetzen, wenn nach zwölf Wochen kein Effekt zu bemerken ist. Vor allem aber soll das Arzneimittel wegen seiner möglichen Interaktionen insbesondere mit Alkohol mit Warnhinweisen versehen sein. Wegen dieser wird es auch unter besonderer Risikoüberwachung stehen. Mitte Oktober will der Hersteller Sprout Pharmaceuticals Addyi® in den USA auf den Markt kommen.


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