Teure Medikamente in Großbritannien

Das Nachsehen haben andere

Remagen - 23.02.2015, 09:41 Uhr


Neue, teure Medikamente in der Versorgung bringen den Patienten unterm Strich mehr Schaden als Nutzen. Dies behauptet ein Team von Forschern von der Universität von York und aus London. Dafür stützen sie sich auf das Ergebnis einer Analyse. Ihre Forderung: Die maximale Schwelle für die Aufnahme in das britische Gesundheitssystem sollte deutlich gesenkt werden. Das derzeitige Niveau führe zu erhöhter Mortalität bei einer Vielzahl von Erkrankungen, die deswegen zu kurz kämen.

Der obere Schwellenwert, den das NICE derzeit meistens ansetzt, um ein Arzneimittel für die Behandlung im Rahmen des NHS zu empfehlen, liegt bei 30.000 Britischen Pfund pro Qualitäts-adjustiertem Lebensjahr (QALY). Teurere Krebsmittel werden aus dem speziell hierfür eingerichteten Fonds (Cancer Drug Fund) finanziert. Nach den Kalkulationen der Wissenschaftler würde ein Betrag in Höhe von 10 Millionen Pfund, der auf der Basis des aktuellen Maximalwertes für ein neues Medikament ausgegeben würde, für die behandelten Patienten 333 zusätzliche QALYs produzieren.

Gleichzeitig gehen laut den Forschern jedoch wegen der Einsparungen, die deshalb in anderen Versorgungsbereichen nötig werden, 773 Lebensjahre verloren. Claxton hält den Cancer Drug Fund für ein besonders krasses Beispiel für die vermeintliche Verschwendung, denn in 2014/15 seien 280 Millionen Britische Fund in den Fonds geflossen. Einiges Geld, das derzeit in Krebsmedikamente fließt, könne zum Beispiel besser investiert werden, um Präventionsprogramme, Früherkennung oder Chirurgie und Strahlentherapie zu finanzieren.

NICE befürchtet Innovations-Stopp

Für das NICE ist die derzeitige Schwelle jedoch ein „pragmatischer Kompromiss“, der sicherstellt, dass jeder einen fairen und gerechten Zugang zur NHS-Versorgung hat und der gleichzeitig den Zugriff auf neue und innovative Behandlungen ermöglicht. „Ein Schwellenwert von 13.000 Pfund pro QALY würde bedeuten, dass das NICE die Tür für die meisten neuen Behandlungen zumachen müsste“, wird dessen Chef Sir Andrew Dillon in der „Financial Times“ zitiert, „Es sei denn, sie glauben wirklich, dass die Firmen bereit wären, ihre Preise in einer bisher nicht dagewesenen Art und Weise zu senken.“

In namhaften britischen Medien wird den Ergebnissen der Gesundheitsökonomen einiges an Gewicht beigemessen, denn sie sollen bei der Entwicklung des Modells, nach dem das NICE die Beurteilung der Arzneimittel vornimmt, eine führende Rolle gespielt haben. Sie könnten die Debatten um die Preise für neue Arzneimittel in Großbritannien und auch anderenorts erneut befeuern, vermutet die Zeitung, vor allem, weil das NICE erst kürzlich einige Therapeutika aus dem Sonderfonds für Krebsmittel herausgenommen hat.

Quelle: Claxton K, Martin S, Soares M, Rice N, Spackman E, Hinde S, et al. Methods for the estimation of the National Institute for Health and Care Excellence cost-effectiveness threshold. Health Technol Assess 2015;19(14)


Dr. Helga Blasius