Sovaldi® & Co. im SWR-Marktcheck

Gesetzgeber soll Pharma-„Abzocke“ unterbinden

Berlin - 17.10.2014, 10:57 Uhr


Das Verbrauchermagazin „Marktcheck“ hat die aktuelle Debatte um die „700-Euro-Pille“ Sovaldi® zum Anlass genommen, die Praxis von Pharmaunternehmen anzuprangern, teure Präparate wieder vom deutschen Markt zu nehmen, wenn ihnen der mit den Krankenkassen ausgehandelte Preis zu niedrig ist. Darunter leiden müssten die Patienten. „Der Gesetzgeber ist gefordert, damit Arzneimittel in Deutschland nicht zum Luxusgut werden.“

Eine Tablette Sovaldi® kostet 700 Euro, erklärte das Verbrauchermagazin in seiner gestrigen Sendung, eine Packung knapp 20.000 Euro. Über 90 Prozent der Erkrankten sollen mit dem neuen Medikament geheilt werden können. „Dieses Medikament ist die einmalige Chance, vielleicht das Thema Hepatitis C Geschichte werden zu lassen“, erklärt Helmut Hutter von der Selbsthilfegruppe Hepatitis C in Heidelberg – Hepatitis C langfristig insgesamt zu eliminieren.

Doch die zwölf Wochen dauernde Behandlung kostet knapp 60.000 Euro – enorme Kosten für die Krankenkassen. „Mit den Herstellungskosten ist dieser unglaublich hohe Preis natürlich nicht zu erklären – und mit Forschungs- und Entwicklungskosten auch nicht so wirklich“, kritisiert das Magazin. Prof. Ulrich Schwabe von der Universität Heidelberg verweist darauf, dass Sovaldi® kein Einzelfall ist: „Dass bei den patentierten Arzneimitteln die Kosten sehr stark ansteigen, ist sicher ein Problem. Das ist eine Preisfindung, die weltweit diskutiert wird.“

Gerade mal neun Prozent aller Verschreibungen machen patentgeschützte Medikamente laut Marktcheck aus – gleichzeitig verschlingen sie die Hälfte aller Arzneimittelausgaben, satte 16 Milliarden Euro. Seit 2011 solle das AMNOG eigentlich „Arzneimittelabzocke verhindern“ und die Hersteller zu Preisverhandlungen mit den Krankenkassen zwingen. Doch in der Schonfrist von zwölf Monaten, in denen Pharmahersteller für neue Medikamente „x-beliebige Preise“ verlangen können, bevor sie den Preis mit den Kassen verhandeln müssen, könnten sie „immer noch abkassieren“.

Und wenn ihnen dieser Preis zu niedrig ist, nehmen sie die Medikamente wieder vom Markt: 13 Mal sei das seit 2011 schon passiert, berichtet Marktcheck. Der Grund: „Deutschland ist sogenanntes Referenzland“, erklärt Schwabe. Und wenn die deutschen Preise runtergingen und der Hersteller in einem anderen Land mit einem niedrigeren deutschen Preis in den Warenkorb komme, sinken auch die ausländischen Preise. „Das ist sicher der wichtigste Grund, weshalb Hersteller in Deutschland vom Markt gehen – um keine niedrigen Preiseffekte im Ausland zu haben.“

Ausbaden müssen das die Patienten, wie die Redaktion an einem konkreten Beispiel deutlich macht: Eine Diabetikerin aus Herrenberg reguliert ihren Blutzuckerspiegel mit Galvus® (Vildagliptin), das der Hersteller Novartis vom Markt genommen hat. Die Diabetikerin fürchtet die Nebenwirkungen, wenn sie auf ein anderes Präparat umsteigt. „Warum muss sich mein Körper auf ein neues Medikament einstellen, wenn ich ein altes Medikament gut vertrage? Nur weil sich Krankenkassen und Pharmaindustrie nicht einigen können.“ Weil ihr Vorrat bald aufgebraucht ist, sucht sie nun im Internet nach ihrem gewohnten Medikament, will es zur Not im Ausland kaufen.

Allerdings zahlt es dann die Kasse nicht mehr. „Absurd, wenn Versicherte ihre Medikamente trotz hoher Kassenbeiträge aus eigener Tasche bezahlen“, kritisiert das Magazin. Abgesehen davon ist es nicht jedem möglich, sein Medikament selbst zu bezahlen – Beispiel Sovaldi®. Angesichts der derzeitigen „Abzocke“ soll die Politik endlich handeln, fordern Betroffene. Die Verhältnismäßigkeit sollte gewahrt sein, findet etwa Hutter von der Hepatitis C-Selbsthilfegruppe, ein bisschen Ethik wieder in unsere Wirtschaft einkehren – „und nicht nur pure Profitgier“. Fazit der Redaktion: Solange der Gesetzgeber nicht einschreitet, können Pharmaunternehmen weiterhin in den ersten zwölf Monaten „horrende Preise“ verlangen.


Juliane Ziegler


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