Polymedikation

Viele Arzneimittel für belgische Senioren

Remagen - 20.04.2014, 07:00 Uhr


Polymedikation bei älteren Menschen ist nicht nur in Deutschland ein Thema, das umtreibt. Auch in Belgien hat man die Arzneimittelversorgung der über 65-Jährigen unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Rund 19 Prozent – das sind fast 380.000 Patienten – nahmen 2012 dauerhaft fünf oder mehr Arzneimittel ein. Bei den über 75-Jährigen sind es sogar 23 Prozent. Dies berichtet das belgische nationale Krankenversicherungsinstitut Inami.

Eingesetzt wurden vor allem Herz-Kreislauf-Medikamente, allen voran lipidsenkende Mittel  (bei rund 65 Prozent der Patienten mit Polymedikation) und Antithrombotika (bei 63%), gefolgt von Magensäure-Blockern (bei 45%) und Betablockern (bei 39%). Für ein Viertel der Patienten mit fünf oder mehr Medikamenten pro Jahr gehörten auch Antidepressiva zum Dauerrepertoire. Antidiabetika kamen ebenfalls häufig vor. Insgesamt spiegelt der Arzneimittelkonsum nach der Einschätzung des Inami durchaus die Morbiditätsverteilung bei der älteren Bevölkerung wider.

Das Krankenversicherungsinstitut verweist in diesem Zusammenhang auch auf eine Studie des belgischen Bundesinstitutes für die Gesundheitsversorgung aus dem Jahr 2006. Diese hatte gezeigt, dass Bewohner von Pflegeheimen täglich zwischen 0 und 22 Medikamente bekamen. Der Durchschnitt lag bei 8,1. Die meisten von ihnen waren für die chronische Verwendung (88%). Der höchste Verbrauch wurde bei Benzodiazepinen, Psycholeptika und Antipsychotika (68% der Einwohner), Abführmitteln (50%) und Antidepressiva (46%) verzeichnet. Die durchschnittlichen Gesamtausgaben für die dauerhaft anzuwendenden Arzneimittel pro Heimbewohner wurden seinerzeit auf 140 Euro pro Monat geschätzt. Der mittlere Patientenanteil lag bei 23 Euro für erstattungsfähige Präparate, und für nicht-erstattungsfähige kamen noch einmal 27 Euro an persönlichen Ausgaben hinzu.

Das Inami betont, dass die Auswirkungen der Polymedikation für ältere Menschen  gravierend sein können. Angefangen von einer schlechten therapeutischen Compliance, Wechselwirkungen, Medikationsfehlern und Nebenwirkungen bis hin zu einer erhöhten Sturzgefahr, Niereninsuffizienz und Episoden von Verwirrung und Delirium, die zu Notfällen und Krankenhaus-Einweisungen führen können.


Dr. Helga Blasius


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