Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

20.04.2014, 08:00 Uhr


Ostern. Frohe Ostern! Über ein Viertel dieses Jahres ist schon wieder vorbei. Und wie ist es für die Apotheken gelaufen? Für die meisten ist es wohl mit „geht so“ am besten umschrieben. Irre Retax-Aufreger und Rabattschlachten. Und berufspolitisch? Mein liebes Tagebuch, das umschreiben wir mal mit „hätte mehr gehen können“, oder? Nur die Leitbilddiskussion nimmt ihren Lauf. Und im Hintergrundrauschen: Lieferengpässe, Substitutionsausschlussliste, Pille danach und noch keine Erhöhung der BtM-Gebühr und Rezepturpreise in Sicht. Ach ja, und Armin soll bald laufen können – wenn die Ärzte es wollen.

14. April 2014

Der Chef der Bundesärztekammer, Frank Montgomery, konstatiert einen Ärztemangel. Obwohl die Zahl der berufstätigen Ärzte im vergangenen Jahr um 2,5 Prozent gestiegen ist – heute arbeiten rund 357.000 Mediziner ambulant und stationär –, sind das nach seiner Meinung nicht genug. Mehr Studienplätze seien notwendig. Hinzu kämen die Auswirkungen des demografischen Wandels: Mehr Ärzte gehen in den Ruhestand. Und: Junge Ärzte sind – mit Recht, so Montgomery – nicht mehr bereit, „ihren Lebensstil, ihre Lebensqualität und ihre Arbeitnehmerrechte an den Pforten der Krankenhäuser und Arztpraxen abzugeben“. Der Arztberuf soll zudem wieder attraktiver werden: bessere Anerkennung und Bezahlung, Abbau von Bürokratie. Das sehen die Kassen anders. Der GKV-Spitzenverband wäre nicht der GKV-Spitzenverband, wenn er dies alles nachvollziehen könnte. Die Ärzte verdienen so viel wie noch nie, heißt es von dieser Seite, und „Wir haben immer mehr niedergelassene Ärzte“. Ach ja, die kranken Kassen mit den Milliarden auf den Konten.

Mein liebes Tagebuch, da frage ich mich doch: Wie sieht die Situation bei uns Apothekerinnen und Apothekern aus? Apothekermangel? Demografischer Wandel? Attraktivität des Apothekerberufs? Anerkennung? Und die Bezahlung? Ohne alle verfügbaren Statistiken dazu zu kennen: Treffen die Forderungen von Montgomery nicht auch auf den Apothekerberuf zu? Sollten wir das nicht kommunizieren?

In Norwegen gibt es einen deutlichen Mangel an Pharmazeuten. Apotheken mussten bereits schließen, weil sie kein Personal gefunden haben. Pharmaziestudierende sollen jetzt für den Apothekerberuf werben. Gute Idee. Und laut einer Masterstudentin an der Uni in Oslo soll es in Norwegen gute Berufschancen geben „und das Geld stimmt auch“.

Wer aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten mehr leisten kann, dem darf nicht gekündigt werden – entschied das Bundesarbeitsgericht. Eine Krankenschwester hatte hier erfolgreich gegen ihre Kündigung geklagt. Das Urteil betrifft alle, die Nachtschicht oder Nachtdienst leisten. Auch Apotheker. Allerdings, mein liebes Tagebuch, ein Apothekennachtdienst ist doch irgendwie anders als die körperlich anstrengende Nachtschicht einer Krankenschwester, oder? Und einem geistig und körperlich unversehrten Apotheker oder einer Apothekerin ist ein Nachtdienst, der in der Regel nicht zu häufig ist, zuzumuten. Auch wenn man mal nicht so gut schläft. Wer diesen Beruf wählt, weiß, was auf ihn zukommt. Und sollte es wirklich mal ernsthafte Probleme geben, lässt sich im Gespräch sicher ein Kompromiss finden.

15. April 2014

PTA-Schulen in Hessen kämpfen. Eine Schule in Darmstadt ist bereits geschlossen, eine in Kassel ringt ums Überleben. Der Europäische Sozialfonds und das Land Hessen ziehen sich aus der finanziellen Förderung zurück. Das hört sich nicht gut an, zumal Apotheken gut ausgebildete PTAs suchen. Eine Apotheke braucht PTAs. In Marburg liegt das Schulgeld für eine Schülerin derzeit bei 395 Euro, monatlich! Da wird die PTA-Ausbildung mittlerweile zu einer Luxus-Ausbildung, die in keinem Verhältnis mehr steht zu den späteren Verdienstmöglichkeiten. Der Vize des Hessischen Apothekerverbands, Diefenbach, macht sich jetzt dafür stark, dass sich auch Kammern und Verbände bzw. die ABDA an der Finanzierung beteiligen sollen. Derzeit ist dies u. a. aufgrund der Satzungen nicht möglich. Der Vorschlag von Diefenbach: Die Mitgliedsbeiträge der Verbände an die ABDA senken; mit dem gesparten Geld könnten die Verbände einen Beitrag zum Erhalt der PTA-Schulen leisten. Das könnte ein Weg sein. Aber andererseits, wo bleibt der Staat, wo bleiben die Länder? Sie dürfen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden.

Eine Entscheidung, die für viele im wahrsten Sinn des Wortes zum K… ist: Das BfArM widerruft mit sofortiger Wirkung die Zulassung von Metoclopramid-Tropfen (MCP) mit einem Wirkstoffgehalt von mehr als 1 mg/ml. Der Grund: Risikominimierung. Eine Neubewertung der bekannten Risiken wie schwere kardiovaskuläre und neurologische Nebenwirkungen zeigte u. a., dass das Risiko für diese unerwünschten Wirkungen mit Dosis und Behandlungsdauer steigt. Das Risiko sinkt bei Anwendung von niedrigeren Dosen und kürzerer Behandlungsdauer. Zur Behandlung des akuten Chemotherapie-induzierten Erbrechens ist laut BfArM-Meldung eine Wirksamkeit allerdings erst bei sehr hohen Dosen gegeben. Mein liebes Tagebuch, gefühlt kam der Rückruf plötzlich, sehr plötzlich. Andererseits, es zeichnete sich schon seit einiger Zeit ab, dass das BfArM den Wirkstoff im Fokus hat. Was am HV-Tisch zurückbleibt, ist eine gewisse Verunsicherung. Einerseits: MCP wirkt gut, andererseits: die Nebenwirkungen sind ernst zu nehmen. Und es bleiben ein paar Fragen: Hätten die Ärzte MCP zurückhaltender einsetzen sollen? Wurde es mit der Gießkanne verteilt? Immerhin, laut BfArM ist die Behandlung mit Metoclopramid für bestimmte Indikationen nach wir vor zugelassen, z. B. zur Prävention von Übelkeit und Erbrechen bei Chemo, bei Bestrahlung, nach Operationen und bei akuten Migräneanfällen als parenterale Applikation. Und dann gibt es noch Ondansetron und Domperidon. Und für leichtere Fälle Diphenhydramin.

16. April 2014

Einer Untersuchung des international tätigen Wirtschafts- und Steuerprüfungsunternehmens KPMG zufolge ist es an der Zeit, dass die Pharmaindustrie bei ihrem Geschäftsmodell umdenken muss: Sie sollte nicht mehr einzelnen Blockbuster-Entwicklungen nachjagen (von denen es eh immer weniger gibt); dies sei eine Produktorientierung, die auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werde. Die Industrie müsse weg vom Pushen einzelner Produkte und viel mehr den Patienten in den Mittelpunkt stellen, dessen Bedürfnisse erkennen und dafür weitere Services zur Verfügung stellen. Mein liebes Tagebuch, interessante Vorschläge, die da an die Industrie herangetragen werden. Den Patienten in den Mittelpunkt stellen – kommt uns das nicht bekannt vor? Näher ran an den Patienten – das wollen wir als Apothekerinnen und Apotheker doch auch. Welche Services könnten sich die Industrie ausdenken? Konkurrieren wir dann mit der Industrie um die Gunst des Patienten?

Ja, es gibt Hoffnung, dass die Pharmazie an der Uni Leipzig erhalten bleibt und nicht den Sparplänen geopfert wird. Denn: Im August wird ein neuer Landtag gewählt – und die neue Regierung könnte die Sparpläne im Hochschulbereich überdenken. Also, bis zum August wird vermutlich erst mal nichts entschieden. Und was danach ist, hängt von der neuen Regierung ab. Die Zeit bis dahin müssen die sächsischen Apothekerinnen und Apotheker nutzen: Fragen an alle Parteien im Landtag richten, wie sie sich zur Pharmazie in Leipzig stellen, Gespräche führen mit den Abgeordneten. Es gibt Chancen, dass die Pharmazie in Leipzig bleibt!

17. April 2014

Einen bemerkenswerten Test hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) durchgeführt: Es untersuchte, wie verständlich eigentlich Gesundheitsinformationen sind, und nahm sich als Untersuchungsobjekt seine eigene Informationsseite im Internet (gesundheitsinformation.de). Das Ergebnis des Nutzertests: Gesundheitsinformationen sind teilweise schwer zu vermitteln, Texte sind oft zu umfangreich, zu kompliziert und für Interessierte damit nicht wirklich verständlich. Gerade diejenigen, die diese Informationen dringend benötigen, erreichen sie nur eingeschränkt. Das Fazit des IQWiG: Gesundheitsinformationen sollten so einfach und schlicht wie möglich erklärt werden, wenn möglich ohne Fremdwörter. Mein liebes Tagebuch, das können wir auch auf unsere Beratung übertragen: einfache Erklärungen, der Zielgruppe angepasst, alltagsnahe Darstellungen, eindeutige Handlungsempfehlungen. Und der Test ruft auch in Erinnerung: eine gute und vor allem verständliche Beratung ist nicht trivial. Wer in der Offizin arbeitet, sollte sich damit befassen, wie man komplizierte Sachverhalte und Gesundheitsinfos vermittelt. Da die richtige Kommunikation nur bedingt einen Platz in der pharmazeutischen Ausbildung an der Hochschule hat, wird dies wohl eher im dritten Ausbildungsabschnitt seinen Platz finden müssen. Und da sind auch die Kammern gefragt, Kommunikationskurse anzubieten.

Gefälschtes Herceptin und Remicade im Umlauf! In Italien gestohlen bzw. gefälscht und von Parallelvertreibern nach Deutschland gekarrt. Das Paul-Ehrlich-Institut hat die betroffenen Importeure angewiesen, belieferte Großhandlungen und Apotheken direkt zu kontaktieren und den Rückruf aus den Apotheken und von den Anwendern individuell durchzuführen und zu dokumentieren. Mein liebes Tagebuch, da wäre schon mal interessant, die Importwege im Detail nachzuverfolgen. Wie schön und sicher waren doch früher die Lieferwege: Hersteller, Großhandel, Apotheke – fertig. Keine Importe, keine Broker, keine Zwischenhändler, kein Versandhandel. Obwohl das Securpharm-Projekt ein Riesenaufwand ist: Angesichts des Herceptin-Vorfalls stellt man fest, dass ohne Sicherheitsmaßnahmen wie Matrixcode nichts mehr sicher ist.

18. April 2014

Rabattverträge mit Generika, Originalen, Importen, die Importvereinbarung mit der 15/15er-Regel und die Aut-idem-Regelung – ein bürokratisches Tohuwabohu, mit Regeln, die ein Irrsinn sind und zudem noch unterschiedlich ausgelegt werden. Es fängt bei der Frage an, ob Original und Import als identisch gelten. Die AOK stützt sich aufs Arzneimittelgesetz, wonach kein Unterschied bestehe. Das bedeutet, ein Aut-idem-Kreuz könne keine Wirkung entfalten, da es sich demnach nicht um den Austausch zweier verschiedener Arzneimittel handelt. Wenn es aber neben dem Reimport auch Generika gebe, dürfe das verordnete Original oder der Reimport nicht gegen ein Generikum ausgetauscht werden. Rechtssicher sei dies aber nicht geklärt, so die AOK Baden-Württemberg. Bis vor kurzem wurde die Frage, ob ein Aut-idem-Kreuz einen Rabattvertrag schlägt, wenn es um die Abgabe eines Imports oder Originals geht, klar verneint. Das Argument: Hier handele es sich nicht um wirkstoffgleiche Generika, für die die Aut-idem-Regel gelte, sondern um identische Produkte. Es müsse also das rabattierte Arzneimittel abgegeben werden. Das Sozialgericht Koblenz sah dies anders. Es gab der Therapiehoheit der Ärzte Vorrang und schützte damit eine Apotheke, die das Aut-idem-Kreuz beachtet hatte, vor einer Retaxation. Der GKV-Spitzenverband schloss sich der Auffassung des Sozialgerichts an. Da der Spitzenverband aber den einzelnen Kassen keine verbindlichen Vorgaben machen kann, bleibt es unsicher, wie andere Kassen solche Fälle sehen. Mein liebes Tagebuch, das kann’s wirklich nicht sein. Wenn schon Rabattverträge, warum kann man dann nicht klare und eindeutige Spielregeln aufstellen? Der Irrsinn nimmt seinen Lauf.

20. April 2014

So, jetzt aber genug mit dem Pharmawahnsinn und raus zum Osterspaziergang! Frohe Ostern!      


Peter Ditzel


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