Paracetamol und Phenylephrin

Ein Leserbrief macht Schlagzeilen

26.03.2014, 17:17 Uhr


„Ozeanische Firma findet großen Irrtum in der Zusammensetzung von Erkältungspräparaten” – Diese Schlagzeile ist seit fast einer Woche auf der Website einer Pharmafirma zu lesen, und auch zahlreiche deutsche (Fach)portale sind darauf angesprungen. Studien hätten ergeben, dass Paracetamol bei gleichzeitiger Gabe die Plasmaspiegel von Phenylephrin erhöht. Die Ergebnisse seien im „New England Journal of Medicine“ „publiziert“ worden. Nirgendwo auf der Seite allerdings findet man den Hinweis, dass es sich bei der „Publikation“ lediglich um „correspondence“, also einen Leserbrief handelt. Ein Kommentar von Julia Borsch.

Drei Crossover-Studien an gesunden Probanden hätten gezeigt, dass die Kombination aus 1000 mg Paracetamol, 300 mg Ibuprofen und 10 mg Phenylephrin die maximale Plasmakonzentration von Phenylephrin gegenüber der Monotherapie um den Faktor 4 erhöhe, so die Pharmafirma AFT Pharmaceuticals. Die AUC verdoppele sich also. Dass Ibuprofen zu diesem unerwarteten Anstieg beigetragen habe, habe man ausschließen können. Man nimmt an, dass Paracetamol die Sulfatierung von Phenylephrin in der Intestinalwand behindert. In der Folge komme es dann zu erhöhten Plasmaspiegeln des Sympathomimetikums. Die bestehenden Zulassungen beruhten auf der falschen Annahme, dass es eine solche Interaktion nicht gebe. Da aber die Plasmaspiegel im problematischen Bereich lägen, habe man die Behörden zum Handeln aufgefordert. 

Diese Informationen findet man sowohl in der „Publikation“ als auch auf der Homepage der Firma. Weitere Informationen zu den durchgeführten Studien wie Studiendesign, Probandenzahl, statistische Auswertungen –  Fehlanzeige! Diese lägen den Regulierungsbehörden vor und seien zudem bei einem Fachmagazin zur Publikation eingereicht, so die Firma. Aber die Tatsache, dass das renommierte NEJM ihre Entdeckungen „publiziert“ habe, würde für deren Bedeutung sprechen.

Bemerkenswerterweise hat nun diese Firma eine neue Formulierung für ein Erkältungsmittel entwickelt, die das Problem, dass Paracetamol, wenn es gemeinsam mit Phenylephrin gegeben wird, die Plasmaspiegel des Sympathomimetikums erhöht, lösen soll. Das behauptet die Firma auf ihrer Homepage. Die Unterlagen sollen nächsten Monat bei den Zulassungsbehörden eingereicht werden. Was für ein glücklicher Zufall! Man findet ein Problem bei den Wettbewerbern und präsentiert im gleichen Atemzug die Lösung. Kommerzielle Interessen und unternehmerisches Kalkül, um Marktvorteile zu gewinnen, kann man übrigens ausschließen. Denn, so die Firma weiter, „das “New England Journal of Medicine” würde Ergebnisse einfach nicht veröffentlichen, wenn sie diese von kommerziellen Interessen korrumpiert sähe.“


Julia Borsch


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