Tödliche Ersatzdroge

Fentanyl-Missbrauch nimmt zu

Berlin - 04.02.2013, 09:20 Uhr


Das Schmerzmittel Fentanyl gewinnt als Ausweichmittel für Drogenabhängige immer mehr an Bedeutung. Die Szene hat eigene Strategien entwickelt, wie die opiathaltigen Präparate am besten zu bekommen sind. Doch durch erschlichene Überbestände eröffnet sich zudem noch eine lukrative Einnahmequelle.

Dass die Pflaster verschreibungspflichtig sind und unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, ist offensichtlich keine allzu große Hürde für die Drogenabhängigen. Nach Angaben des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd setzen sie auf das sogenannte „Ärztehopping“: Zunächst wird der Hausarzt dazu bewegt, Schmerzpflaster zu verschreiben. Sobald er nicht mehr dazu bereit ist, größere Dosen zu verordnen, wird der nächste Arzt aufgesucht – meist zu einem Zeitpunkt, an dem der eigene Hausarzt keine Sprechstunde hat und für Rückfragen nicht zu erreichen ist.

In den letzten Jahren ist die Zahl der infolge der falschen Dosierung eintretenden Todesfälle angestiegen: Denn die Abhängigen kleben die Pflaster nicht den Vorgaben entsprechend auf die Haut, sondern extrahieren den Wirkstoff, um ihn beispielsweise intravenös zu injizieren. Dass das Problem zunimmt, zeigt sich auch daran, dass die im Jahr 2011 bei der Bundesärztekammer neu gebildete „Qualitätssicherungs-Kommission Substitutions-Beratung“ unter anderem die Intoxikation bei einem Missbrauch von Fentanylpflastern mit auf ihre Agenda gesetzt hat.

Doch das Geschäft mit den Pflastern ist auch lukrativ – die Staatsanwaltschaft ermittelt in mehreren Fällen. So wird nach Meldung der „Südwest Presse“ derzeit im Ostalbkreis einem Ellwanger Ehepaar zur Last gelegt, sich zwischen Dezember 2011 und Juli 2012 bei 49 verschiedenen Ärzten Fentanyl im Wert von 55.000 Euro erschlichen und gewinnbringend verkauft zu haben. In Heidenheim läuft ebenfalls ein Ermittlungsverfahren gegen einen Mann, der bei elf Ärzten insgesamt 34 Rezepte erschwindelt und damit Fentanylpflaster im Wert von 20.000 Euro erschlichen haben soll.

Dabei rücken auch die verordnenden Ärzte immer wieder ins Blickfeld der Ermittler: So ist man in Ellwangen nach Angaben der „Südwest Presse“ gegenwärtig am Prüfen, ob sich Ärzte durch leichtfertiges Verschreiben strafbar gemacht haben. Doch nicht nur die verschreibenden Ärzte sind zur Achtsamkeit angehalten: Eine Methode, sich Fentanylpflaster in großer Zahl zu besorgen, besteht darin, die in einer Arztpraxis verordnete Menge nachträglich abzuändern. Apotheker sollten insoweit ebenfalls die Augen offen halten.

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Juliane Ziegler