Trotz Honorar-Kompromiss

Tausende Ärzte protestieren

Berlin - 10.10.2012, 16:33 Uhr


Trotz einer Honorarerhöhung um rund 1,2 Milliarden Euro haben erneut Tausende Ärzte und ihre Angestellten gegen die Preispolitik der Krankenkassen protestiert. Hunderte Mediziner hielten zudem bundesweit ihre Praxen am Mittwoch geschlossen – zumindest vorübergehend.

Gestern Abend hatten sich der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) im Erweiterten Bewertungsausschuss auf einen Honoraranstieg verständigt. Danach kann das Honorar für die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten 2013 um einen Korridorbetrag zwischen 1,15 und 1,27 Milliarden Euro steigen. Die genaue Summe hängt von weiteren Verhandlungen in den Regionen ab. In den kommenden Tagen sollen die technischen Details dieser Vereinbarung fixiert werden, am 22. Oktober ist der formelle Beschluss durch den Erweiterten Bewertungsausschuss vorgesehen. Der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Köhler sprach von einem „guten Kompromiss für die Patienten“.

Ende August war zunächst eine Honorarerhöhung um 300 Millionen Euro vorgesehen – gefordert hatten die Mediziner 3,5 Milliarden Euro. Entsprechend groß war die Entrüstung. Nun sind die Kassen den Ärzten zwar deutlich entgegengekommen – dennoch sind viele Ärzte weiterhin unzufrieden. Vornehmlich in den westdeutschen Bundesländern versammelten sie sich mit ihren Arzthelferinnen vor Filialen der Krankenkassen. Ihr Ziel von bundesweit bis zu 30.000 Demonstranten verfehlten die Organisatoren von der Allianz der Berufsverbände aber. In Ostdeutschland kam es dem Vernehmen nach nur vereinzelt zu Aktionen. Insgesamt gab es nach Angaben der Veranstalter Proteste in über 30 Städten.

Hunderte Mediziner ließen ihre Praxen in Niedersachsen und Bremen vorübergehend geschlossen, ebenso viele in Baden-Württemberg, berichtete die Allianz der Ärzteverbände. In Hamburg blieben rund 100 Praxen dicht. In Neumarkt in der Oberpfalz nahmen nach Polizeiangaben rund 250 Menschen an einer Kundgebung auf dem Rathausplatz teil. Einige Hundert Demonstranten gab es etwa auch in Berlin, Düsseldorf und Dortmund. Auf Transparenten warnten sie vor Jobabbau und verlangten eine bessere Bezahlung.

Am Aktionstag „Praxis ohne Helferin“ und an den Praxisschließungen nahmen der Ärzte-Allianz zufolge „bundesweit zehntausende Praxen teil“. In diesen Arztpraxen fand entweder ein eingeschränkter Betrieb statt, andere Praxen blieben ganztags zu. Der Sprecher der Allianz, Dirk Heinrich, sprach von einem eindrucksvollen Schulterschluss von Ärzten und Praxispersonal. Die Preispolitik der Kassen gefährde die Arbeitsplätze von Arzthelferinnen. Heinrich warf den Kassen vor, bürokratischen Aufwand und Einschränkungen bei der Auswahl von Arzneimitteln zu verursachen.

Der GKV-Spitzenverband kritisierte die Ärzte. „Das innerärztliche Verteilungsproblem, das hinter den Protesten steckt, muss die Ärzteschaft selbst lösen – genug Geld steht insgesamt zur Verfügung“, sagte Verbandssprecherin Ann Marini.


dpa/DAZ.online