Tumortherapien

Halogenbrücken in der Wirkstoff-Forschung

Tübingen - 18.06.2012, 10:00 Uhr


Tübinger Pharmazeuten zeigen erstmals, wie Halogenbrücken für Krebstherapien nutzbar gemacht werden könnten. Die Wissenschaftler aus dem Pharmazeutischen Institut der Universität Tübingen beschreiben zum ersten Mal das Design und die Anwendung von mit Halogenen angereicherten Fragment-Bibliotheken.

Die Elemente Chlor, Brom und Iod besitzen einzigartige Eigenschaften, mit denen sie die Interaktion zwischen Molekülen positiv beeinflussen können. Diese Wechselwirkungen werden mit dem Begriff „Halogenbrücken“ (engl.: „Halogen Bonding“) bezeichnet. Halogenbrücken können unter anderem die Erkennung von kleinen therapeutisch einsetzbaren Molekülen durch ihre biologischen Zielstrukturen beeinflussen.

Tübinger Wissenschaftler präsentieren ein neues Konzept für eine moderne Methode der Wirkstoffforschung, die „Fragmentbasierte Leitstruktur-Entwicklung“. Bei dieser werden Substanzbibliotheken, bestehend aus kleinen chemischen Fragmenten, in einem Screening-Verfahren an biologischen Zielstrukturen wie Proteinen oder DNA getestet, um neue Startpunkte für die Entwicklung von Wirkstoffen zu finden.

Bisher waren Halogene, besonders die schwereren Elemente Brom und Iod, in entsprechenden Bibliotheken chemischer Fragmente stark unterrepräsentiert. Die Wissenschaftler aus dem Pharmazeutischen Institut der Universität Tübingen beschreiben nun zum ersten Mal das Design und die Anwendung von mit Halogenen angereicherten Fragment-Bibliotheken, bezeichnet mit dem Akronym „HEFLibs“. Ihnen gelang es, mit HEFLibs eine defekte Form des Transkriptionsfaktors p53 in Zellen zu reaktivieren, der eine zentrale Rolle in der Krebsprävention und -abwehr einnimmt. Die Schädigung von p53 durch Mutation kann zur Entwicklung verschiedener Krebsarten führen.

Durch Anwendung des neuen HEFLibs-Konzepts konnten Verbindungen identifiziert werden, welche die p53 Krebs-Mutante Y220C erkennen, stabilisieren und damit reaktivieren können. Diese Verbindungen ‒ 2-(Aminomethyl)-4-ethynyl-6-iodophenole ‒ stellen somit einen interessanten Startpunkt für die weitere Optimierung dar.

Literatur: Wilcken, R., et al: J. Am. Chem. Soc. 2012;134(15):6810–8, Online: doi: 10.1021/ja301056a


Dr. Bettina Hellwig