Finanzgericht Münster

Volle Mehrwertsteuer auf Sondennahrung

15.04.2015, 12:10 Uhr

Umsatzsteuer: für Sondennnahrung gilt der volle Satz. (Foto: PhotographyByMK/Fotolia)

Umsatzsteuer: für Sondennnahrung gilt der volle Satz. (Foto: PhotographyByMK/Fotolia)


Berlin – Ein Apotheker will vor Gericht klären lassen, ob für die Lieferung von Sondennahrung der ermäßigte Umsatzsteuersatz gewährt werden kann oder aber der volle in Ansatz zu bringen ist. Das Finanzamt lehnte die Besteuerung zum ermäßigten Satz ab – das Finanzgericht Münster gab der Behörde Recht. Die Revision hat das Gericht jedoch zugelassen.

Der Kläger ist selbstständiger Apotheker und liefert an Krankenversicherte unter anderem spezielle, nicht rezeptpflichtige Sondennahrung, also Flüssigkeit, die über eine Magen- oder Darmsonde an solche Patienten verabreicht wird, die krankheitsbedingt Nahrung nicht in fester Form zu sich nehmen können. Unstreitig stellen die Produkte keine Arznei im Sinne des deutschen Arzneimittelgesetzes dar. Sie sind aber verordnungsfähig und ausweislich der Produktblätter der Hersteller nur unter ärztlicher Aufsicht zu verwenden.

In seinen Umsatzsteuererklärungen erklärte der Apotheker die Sondennahrungsumsätze zunächst unter Vorbehalt zum Regelsteuersatz. Später beantragte er, sie zum ermäßigten Umsatzsteuersatz zu besteuern. Das lehnte das Finanzamt ab.

Keine steuerlich begünstigte „Lebensmittelzubereitung“

Auch das Finanzgericht meint: Die Umsatzsteuerermäßigung gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Anlage 2 kann nicht gewährt werden. In Betracht käme dies nur, fiele die Sondennahrung unter Nr. 33 – „verschiedene Lebensmittelzubereitungen“ – der in Anlage 2 aufgeführten Gegenstände, die dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Das Gericht verweist auf die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofs (EuGH), derzufolge Sondennahrungsumsätze nicht als „Lebensmittelzubereitung“, sondern als Arzneiwaren im Sinne der Position 3004 der Kombinierten Nomenklatur (KN) einzuordnen, sind. Und für Arzneiwaren gebe es in Deutschland keine Umsatzsteuerermäßigung.

Nach Auffassung des EuGH, der der Senat des Finanzgerichts folgt, gehören zu den „Arzneiwaren“ im Sinne der Position 3004 KN Erzeugnisse, die eindeutig bestimmbare therapeutische und prophylaktische Eigenschaften aufweisen und die zur Verhütung einer Krankheit oder eines Leidens angewandt werden können. Auch wenn das betroffene Erzeugnis keine eigene therapeutische Wirkung hat, aber bei der Verhütung oder Behandlung einer Krankheit oder eines Leidens Anwendung findet, ist es als zu therapeutischen Zwecken zubereitet anzusehen, sofern es eigens für diese Verwendung bestimmt ist (EuGH, Urteil v. 30.4.2014, Rs.: C - 267/13 – Nutricia).

Die Darbietung der Erzeugnisse muss zudem – wie hier – in dosierter Form erfolgen oder ihrer Aufmachung nach für den Einzelverkauf bestimmt sein. Auch aus dem Umstand, dass die Erzeugnisse unter ärztlicher Aufsicht verabreicht werden, schließt der EuGH, dass sie zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken im Sinne der Tarifposition 3004 KN hergestellt wurden.

Arzneimittel- und Steuerrecht haben unterschiedliche Ziele

All diese Voraussetzungen sieht das Gericht im Streitfall gegeben. Es folgt nicht der Auffassung des Klägers, eine Einordnung unter 3004 KN scheide aus, weil die Sondennahrung keine Arznei im Sinne des Arzneimittelgesetzes ist. Das deutsche Arzneimittelgesetz habe andere Ziele und Zwecke als das Steuerrecht. Sein Zweck sei es, im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von Mensch und Tier für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel zu sorgen. Das Arzneimittelgesetz bezwecke also Sicherheit und Ordnung. Im Steuerrecht und insbesondere der KN würden hingegen verkehrspolitische und fiskalische Zwecke verfolgt. Die Definition dessen, was als „Arznei“ im Sinne der Position 3004 KN zu fassen ist, richte sich ausschließlich nach steuerrechtlichen Vorschriften. Die arzneimittelrechtliche Einordnung sei unerheblich.

Die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) lässt das Gericht zu, weil es bislang keine BFH-Entscheidung zur Einordnung von Sondennahrung in der hier streitbefangenen Art gibt.

Urteil des Finanzgerichts Münster vom 5. März 2015, Az.: 5 K 3876/11 U


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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