Umsetzung der ApBetrO

Beratungspflicht bei freiverkäuflichen Arzneimitteln?

Berlin - 20.03.2014, 10:57 Uhr


Sind Apotheker auch verpflichtet, zu freiverkäuflichen Arzneimitteln zu beraten? Immerhin können diese Produkte auch in Drogerie- und Supermärkten erworben werden – ohne entsprechende pharmazeutische Beratung. Die Länderarbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AG AATB) ist jedenfalls der Auffassung, dass sich die Beratungspflicht auch auf in der Apotheke angebotene freiverkäufliche Arzneimittel erstreckt. Doch das sehen nicht alle so.

Die in § 20 Abs. 1 ApBetrO vorgeschriebene Verpflichtung zur aktiven Beratung erstrecke sich auf alle in der Apotheke abgegebenen Arzneimittel, erklärt die Ländergruppe in den überarbeiteten Empfehlungen zur Umsetzung der ApBetrO (Punkt 46 des FAQ-Papiers). Die ApBetrO unterscheide nicht zwischen freiverkäuflichen und apotheken- oder verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. In der Apotheke müsse daher „auch die Beratung zu freiverkäuflichen Arzneimitteln gewährleistet sein und durch einen approbierten Apotheker oder (nach entsprechenden Festlegungen) durch pharmazeutisches Personal erfolgen“.

Das ist allerdings durchaus umstritten. In einem Beitrag der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Arzneimittel & Recht“ (1/14) beschäftigt sich Rechtsanwalt Dr. Timo Kieser ausführlich mit dieser Frage. Im Gegensatz zur AG AATB kommt er zu dem Ergebnis, dass § 20 ApBetrO keine Beratungspflicht für freiverkäufliche Arzneimittel normiert. Vielmehr gelte sie allein für Produkte, deren Abgabe ausschließlich Apotheken vorbehalten sei, also verschreibungspflichtige und apothekenpflichtige Arzneimittel sowie apothekenpflichtige Medizinprodukte. „Es wäre rechts- und verfassungswidrig, § 20 ApBetrO anders auszulegen“, konstatiert er in der A&R.

Der Wortlaut des § 20 ApBetrO spreche zwar für die Annahme einer Beratungspflicht, führt Kieser aus – dort ist von einer Beratungspflicht für „Arzneimittel“ die Rede. Die Systematik der ApBetrO und ihrer Regelungen zur Beratung sowie der Sinn und Zweck der Vorschriften unter Berücksichtigung einschlägiger Rechtsprechung sprächen allerdings dagegen. So schreibt § 17 Abs. 1a ApBetrO unter anderem vor, dass Arzneimittel „nur durch pharmazeutisches Personal ausgehändigt werden“ dürfen. Typischer Fall der Aushändigung sei die Übergabe einer Arzneimittelpackung, erklärt Kieser. Eine solche finde aber bei freiverkäuflichen Arzneimitteln nicht statt – vielmehr nehme sich der Kunde die Packungen aus den Regalen im Freiwahlbereich im Wege der Selbstbedienung. Mangels Aushändigung müsse pharmazeutisches Personal daher nicht involviert sein.

Kieser hält dieses Verständnis für verfassungsrechtlich zwingend – wegen des Gleichheitsgrundsatzes. Das Bundesverfassungsgericht habe 1987 in einem Beschluss ausgeführt, dass der Normgeber sich dazu entschieden habe, Arzneimittel nicht generell der Apothekenpflicht zu unterwerfen. Apotheken dürften daher im Vergleich zu Einzelhändlern und Drogisten insoweit nicht anders behandelt werden, weil zwischen beiden Gruppen keine gravierenden Unterschiede bestünden. Zudem führte das Gericht 2003 in einem Beschluss aus, dass der Gesetzgeber – als er für einige Arzneimittel Ausnahmen von der Apothekenpflicht zuließ (§§ 43 ff. AMG) – anerkannt habe, dass der Beratungsbedarf je nach Abnehmer und Arzneimittel unterschiedlich sei. Diese Entscheidung in einem formellen Parlamentsgesetz wie dem Arzneimittelgesetz könne, so Kieser, letztlich nicht einfach durch eine Rechtsverordnung wie der ApBetrO durch die „Hintertür“ unterlaufen werden.


Juliane Ziegler


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