Europäischer Gerichtshof

Lucentis®: Umfüllen nicht zwingend zulassungspflichtig

Berlin - 11.04.2013, 15:28 Uhr


Das Novartis-Präparat Lucentis® sorgt immer wieder für Streit. Zum einen ging es in der Vergangenheit um die Frage, ob das Roche-Arzneimittel Avastin® zur Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) gleichwertig sei. Zum anderen stritt man, ob aus einer Lucentis®-Portion auch mehrere gemacht werden dürfen. Mit letzterem Fall hat sich auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) befasst – heute erging sein Urteil.

Novartis streitet auf vielen Ebenen um sein Lucentis®. Gar nicht gefällt es dem Unternehmen, wenn andere – etwa Apotheken oder Herstellerbetriebe für Rezepturarzneimittel – aus einer Portion Lucentis® mehrere machen – und damit die Kosten für die Krankenkassen senken. Vor einiger Zeit machte das Hanseatische Oberlandesgericht einem Pharmazeuten einen Strich durch die Rechnung: Ein Apotheker, der Fertigspritzen aus einem unter Verwendung biotechnologischer Verfahren hergestellten und zentral zugelassenen Präparat abfüllt, stelle diese Arzneimittel her und bedürfe einer zentralen Zulassung. Die im nationalen Recht vorgesehenen Einschränkungen der Zulassungspflicht für Rezepturarzneimittel seien auf ein solches Arzneimittel wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht anwendbar.

In einem weiteren Rechtsstreit landete ein ganz ähnlicher Sachverhalt vor dem EuGH. Vor dem Landgericht Hamburg klagte Novartis gegen den Herstellerbetrieb Apozyt. Der auf Rezepturarzneimittel spezialisierte Herstellerbetrieb entnahm – unter sterilen Bedingungen – den Inhalt aus der Original-Durchstechflasche und machte hieraus mehrere sterile Spritzen, die dann zur Injektion durch einen Arzt ausgeliefert werden. Eine eigene Zulassung besitzt Apozyt nicht. Das Landgericht Hamburg sollte nun feststellen, ob dieses Vorgehen unlauter im Sinne des Wettbewerbsrechts ist. Das wäre es, wenn das Befüllen der Fertigspritzen durch Apozyt unter die Zulassungspflicht nach Art. 3 der Verordnung Nr. 726/2004 fallen würde. Das Gericht hatte das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgericht im Hinterkopf und tendierte zu einer entsprechenden Entscheidung. Da die Frage für den Pharmabereich jedoch von einiger Bedeutung sei, legte das Gericht dem EuGH diese Frage, wie weit hier der Herstellungsbegriff auszulegen sei, dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Heute erging das Urteil. Danach ist das Umfüllen eines Medikaments in eine kleinere Verabreichungsform nicht gesondert zulassungspflichtig, soweit das betreffende Mittel damit nicht verändert wird und dies nur auf Grundlage individueller Rezepte mit entsprechenden Verschreibungen geschieht. Ob das der Fall ist, hat allerdings das vorlegende Gericht – also das Landgericht Hamburg – zu prüfen.

Bei Apozyt nimmt man das Urteil positiv auf. Das Unternehmen sieht sich bestätigt, dass es für seine Spritzen keiner europäischen Zulassung bedarf. Auch der EuGH weist in seinem Urteil darauf hin, dass das Landgericht offenbar davon ausgehe, dass die zusätzlich geforderten Bedingungen erfüllt sind.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 11. April 2013, Az.: C‑535/11


Kirsten Sucker-Sket


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