Boni auf Rx-Arzneimittel

Widersprüchliche Entscheidungen

Berlin - 18.03.2012, 15:13 Uhr


Ist die „easyRezept-Prämie“ von einem Euro pro Rx-Arzneimittel berufsrechtswidrig? Die Berufsgerichte für Heilberufe am Verwaltungsgericht Mainz und am Landgericht Nürnberg-Fürth haben Anfang Februar unterschiedlich geurteilt – nun liegen ihre Entscheidungsgründe vor. Während man in Bayern meint, dass für Apotheker im Wettbewerb schärfere Maßstäbe gelten müssen als für Gebrauchtwagenhändler, hält man das berufsrechtliche Vorgehen der Kammer in Rheinland-Pfalz für eine unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit.

In beiden Fällen geht es um die „easyRezept-Prämie“, die Apothekenkunden „bis zu 3,00 Euro geschenkt!“ verspricht. Für die Einlösung eines Rezepts, so heißt es in der Werbung, gebe es pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel einen Ein-Euro-Gutschein, der sofort beim Kauf von nicht-rezeptpflichtigen Artikeln einlösbar ist. Hiergegen waren die Apothekerkammern in Bayern und Rheinland-Pfalz vorgegangen – bislang mit unterschiedlichem Erfolg.  

So stellt zwar auch das Berufsgericht in Mainz fest, dass der beschuldigte Apotheker mit der Vergabe der Einkaufsgutscheine gegen die gesetzliche Preisbindung verstoße. Dabei handele es sich jedoch um einen „allenfalls geringfügigen“ Verstoß gegen seine Berufspflichten, sodass eine berufsgerichtliche Sanktionierung unverhältnismäßig und der Apotheker in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit verletzt sei.

Grundsätzlich seien zwar die mit den Preisbindungsvorschriften und deren Umsetzung für den einzelnen Apotheker verbundenen Beschränkungen durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die Apothekerkammer hätte aber hier den Wertungswiderspruch des Heilmittelwerberechts einerseits und der öffentlich-rechtlichen Preisbindungsvorschriften andererseits berücksichtigen müssen. Das heißt: Sie hätte die Existenz einer „Spürbarkeitsschwelle“, wie sie der Bundesgerichtshof (BGH) in seinen Boni-Entscheidungen annimmt, in ihre Wertung einbeziehen müssen. Die Karlsruher Richter hatten diese Schwelle bei einem Ein-Euro-Gutschein noch nicht überschritten gesehen. 

Das Mainzer Berufsgericht nimmt Bezug auf die Oberverwaltungsgerichte in Lüneburg und Münster. Diese hatten in zwei Entscheidungen im Eilverfahren ein aufsichtsrechtliches Einschreiten von einer Ermessensentscheidung abhängig gemacht, in der sich die gesetzlichen Wertungen des Wettbewerbsrechts und des Heilmittelwerberechts zumindest widerspiegeln – jedenfalls für den Fall, dass die Werbegaben eindeutig unterhalb der Spürbarkeitsschwelle liegen. Allerdings haben sie in bestimmten Fällen auch die Herabsetzung der Eingriffsschwelle für möglich gehalten. Etwa, wenn die Auswirkungen eines Kundenbindungssystems den lokalen Bereich verlassen und eine Vielzahl von Werbegaben – von für sich genommen geringerem Wert – in der Gesamtbetrachtung spürbar werden können. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor, so die Mainzer Richter. 

Weiter führt das Gericht aus, dass eine berufsgerichtliche Maßnahme, die zusätzlich zur Untersagung immer auch eine Disziplinierung zum Gegenstand hat, in erster Linie der ordnungsgemäßen, sachgerechten und streng fachbezogenen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sowie deren Vertrauen in die fachliche Kompetenz der Angehörigen des Berufsstandes dienen soll. Auch hierzu genügten die Ausführung der Apothekerkammer den Richtern nicht. Es sei nicht ohne weiteres einsehbar, dass eine für eine konkurrierende Apotheke als „nicht spürbar“ qualifizierte Rabattgewährung geeignet sein sollte, die flächendeckende gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu beeinträchtigen. Ebenso sei zweifelhaft, ob und inwieweit ein Kundenbindungssystem unterhalb der vom BGH angenommenen „Geringfügigkeitsschwelle“ das Vertrauen der Bevölkerung in die berufliche Integrität des Apothekers beschädigen könne. Darüber hinaus hätte die Kammer berücksichtigen müssen, dass eine berufsrechtliche Sanktionierung zu einer Schlechterstellung deutscher Apotheker im Verhältnis zu EU-ausländischen Versandapotheken führe. 

Ganz anders argumentiert das bayerische Berufsgericht. Dieses stellt heraus, dass die Spürbarkeitsschwelle im Sinne des Wettbewerbsrechts im berufsrechtlichen Verfahren nicht einschlägig ist. Anders als nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist nach der Berufsordnung jedes unlautere Tun eines Apothekers unzulässig – so auch eine Werbung entgegen der zwingenden Vorschriften der Arzneimittelpreisverordnung. Diese Vorgaben der bayerischen Berufsordnung verstießen auch nicht gegen die Berufsfreiheit. Die restriktivere Regelung sei gerechtfertigt, da für Apotheken, denen die besondere öffentliche Aufgabe der ordnungsgemäßigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zukommt, andere Maßstäbe gelten als für andere Marktteilnehmer – als Beispiele führt das Gericht den Gebrauchtwagenhändler oder den Jahrmarktverkäufer an. 

Es liege auch kein Verstoß gegen das Verbot der Inländerdiskriminierung (Art. 3 GG) vor: „Es gibt keine Gleichheit im Unrecht“. Es sei vielmehr Aufgabe der Obergerichte – notfalls des Gesetzgebers –, dafür zu sorgen, dass ausländische Apotheken bei der Belieferung von deutschen Abnehmern auch die deutsche Arzneimittelpreisbindung einhalten müssen. 

Das Berufsgericht Nürnberg-Fürth sah auch keinen Anlass, das berufsgerichtliche Verfahren „wegen Geringfügigkeit“ nicht zu eröffnen. Eine Ahndung sei vorliegend auf jeden Fall erforderlich – und auch verhältnismäßig. Es sei verfehlt, die Spürbarkeitsgrenze des UWG über die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Ahndung doch wieder ins Berufsrecht einzuführen. Denn dann würde der Apotheker doch wieder allen Marktteilnehmern des UWG gleichgestellt – „also dem Gebrauchtwarenhändler und Jahrmarktverkäufer“. 

Beide Entscheidungen sind nicht rechtskräftig. Es bleibt also spannend, wie die nächste berufsgerichtliche Instanz – sie ist bereits die letzte – in den beiden Bundesländern entscheiden wird.

Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe am Verwaltungsgericht Mainz vom 1. Februar 2012, Az.: BG-H 2/11.MZ

Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe am Landgericht Nürnberg-Fürth vom 8. Februar 2012, Az.: BG-Ap 8/11 


Kirsten Sucker-Sket


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