Großer Senat für Strafsachen

Weiterhin ungeklärt: Sind Vertragsärzte Amtsträger?

Karlsruhe/Leipzig - 21.07.2011, 15:17 Uhr


Die Frage, ob Vertragsärzte Amtsträger sind, treibt die Gerichte weiterhin um. Wenn ja, dann könnten Ärzte sich der Amtsdelikte der Vorteilsannahme/-gewährung und der Bestechlichkeit bzw. Bestechung strafbar machen. Beantworten soll die Frage der Große Senat für Strafsachen. Diesem liegt seit gestern ein entsprechender weiterer Vorlagebeschluss eines Strafsenates vor.

Unter Bezugnahme auf den inhaltsgleichen Vorlagebeschluss des 3. Strafsenats vom 5. Mai 2011 hat der 5. Strafsenat dem Großen Senat für Strafsachen ebenfalls die Frage vorgelegt, ob Vertragsärzte Amtsträger oder – hilfsweise – Beauftragte eines geschäftlichen Betriebs sind. Der Große Senat für Strafsachen ist für die Beantwortung grundsätzlicher Rechtsfragen unter anderem dann zuständig, wenn dies zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist.

In dem zugrunde liegenden Verfahren geht es um den Ratiopharm-Fall, der 2005 in den Schlagzeilen war. Das Landgericht Hamburg hatte im Dezember 2010 einen Vertragsarzt wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und eine für Ratiopharm tätige Pharmareferentin wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr jeweils zu Geldstrafen verurteilt. Lediglich die Pharmareferentin hat gegen die Entscheidung Revision eingelegt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb Ratiopharm, spätestens seit dem Jahr 1997 ein „Verordnungsmanagement“, auf dessen Basis Vereinbarungen mit niedergelassenen Ärzten geschlossen wurden. Danach erhielten diese Ärzte Prämien von 5 Prozent des Herstellerabgabepreises für sämtliche in einem Quartal verordneten Arzneimittel aus dem Vertrieb dieses Unternehmens. Die angeklagte Pharmareferentin übergab in Ausführung dieser Vereinbarung dem mitangeklagten Arzt mehrfach Schecks in Höhe von insgesamt über 10.000 Euro. Auch andere Ärzte erhielten auf der Grundlage entsprechender Vereinbarungen derartige Schecks. Mit diesen Schecks, die zum Schein als Honorare für tatsächlich nicht gehaltene Vorträge deklariert wurden, erfolgte die Zahlung der Prämien.

Das Landgericht hat in seinem sehr ausführlich begründeten Urteil die Auffassung vertreten, dass ein Vertragsarzt nicht die Anforderungen an eine Amtsträgerstellung nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB erfülle (weshalb auch die Amtsdelikte der Vorteilsannahme bzw. -gewährung, Bestechlichkeit bzw. Bestechung, §§ 331 ff. StGB ausschieden). Er sei jedoch – im Hinblick auf die gesetzlichen Krankenkassen – als Beauftragter eines geschäftlichen Betriebs im geschäftlichen Verkehr im Sinne des § 299 StGB anzusehen. Da auch im vorliegenden Verfahren die Frage entscheidungserheblich ist, ob Vertragsärzte, wenn sie ihren gesetzlich versicherten Patienten Arzneimittel verordnen, als Amtsträger oder Beauftragte im geschäftlichen Verkehr tätig werden, hat der 5. Strafsenat dieses Verfahren gleichfalls dem Großen Senat für Strafsachen vorgelegt. Da die Fallkonstellation gewisse Unterschiede zu der des 3. Strafsenats aufweist (u.a. Verordnung einerseits von Hilfsmitteln, andererseits von Arzneimitteln), erweitert die Vorlage für den Großen Senat zudem die Entscheidungsgrundlage.

Beschluss des Bundesgerichtshofs, 5. Strafsenat, vom 20. Juli 2011, Az.: 5 StR 115/11


Kirsten Sucker-Sket