OVG Nordrhein-Westfalen

Viel Spielraum für krankenhausversorgende Apotheken

Münster - 23.05.2011, 16:18 Uhr


Sind größere Entfernungen akzeptabel, um ein Krankenhaus persönlich und unverzüglich mit Arzneimitteln zu versorgen? Ja, urteilte letzte Woche das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen. Es hält die Versorgung eines Bremer Krankenhauses durch eine Apotheke mit Sitz in Ahlen (NRW) für zulässig.

Geklagt hatte die St. Franziskus-Hospital GmbH gegen den Landrat des Kreises Warendorf, der die Genehmigung für einen Versorgungsvertrag mit dem 216 km entfernten St. Josef-Stift in Bremen verweigert hatte. Die unverzügliche Belieferung mit Notfallmedikamenten sowie die persönliche und im Notfall unverzügliche Beratung nach §14 Abs. 5 des ApoG könnten nicht sichergestellt werden, begründet die Behörde ihre Ablehnung.

Die Apotheke argumentierte dagegen, dass unverzüglich nicht „räumlich nah“ bedeute und die Notfallversorgung durch ein Notfall-Depot im Krankenhaus sowie eine zwei- bis dreistündige Lieferung bei Bedarf gewährleistet sei. Für die persönliche Beratung komme es nicht auf die Anwesenheit, sondern auf die telefonische oder elektronische Erreichbarkeit des Apothekers an.

Dieser Auffassung der Klägerin hatte das VG Münster in der ersten Instanz widersprochen: So wie ein Apothekenleiter persönlich seine Apotheke führen müsse, müsse auch der Krankenhausapotheker für die persönliche Beratung vor Ort sein. Nur so könne er sich alle für seine Arbeit nötigen Informationen beschaffen. Das Gericht hatte zur Begründung unter anderem auf die Stellungnahme der Bundesregierung verwiesen, die diese 2008 im Verfahren zur Zulässigkeit der deutschen Regelungen zu Krankenhausapotheken vor dem Europäischen Gerichtshof abgegeben hat. Darin hieß es unter anderem: „Ein persönlicher Kontakt zwischen dem Apotheker und den Arbeitsgruppen des Krankenhauses (…) lasse sich nicht durch fernmündliche, einzelfallbezogene Beratungen ersetzen. Außerdem sei die persönliche Anwesenheit des Apothekers bei Eilbedürftigkeit besonders unverzichtbar“.

Die unterlegene Klägerin legte Berufung gegen das Urteil des VG Münster ein und bekam jetzt Recht. Die schriftlichen Entscheidungsgründe des OVG liegen zwar noch nicht vor, in der Urteilsverkündung machten die Richter aber deutlich, dass sie das Modell der Vertragspartner schlüssig finden. Die Versorgung sei durch die Bevorratung für 14 Tage auf den Stationen, die Belieferung an drei Tagen der Woche sowie das wiederaufzufüllende Depot für Notfälle sichergestellt. Für die persönliche Beratung sei der Apotheker an einem Tag der Woche vor Ort und ansonsten telefonisch oder elektronisch verfügbar. Die körperliche Anwesenheit im Notfall sei nicht erforderlich, so die Richter des OVG. Als positives Beispiel wurde ein genehmigter Versorgungsvertrag in Bayern über eine Strecke von 370 km aufgeführt, eine Entscheidung, die von Apothekerverbänden damals aufs Heftigste kritisiert wurde.

Es handelt sich um das erste Urteil eines Oberverwaltungsgerichts zu dieser Thematik. Das OVG hat die Revision beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Bevor der beklagte Landrat entscheidet, ob er Rechtsmittel einlegt, wird er zunächst die schriftlichen Entscheidungsgründe abwarten.

Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 19. Mai 2011, Az.: 13 A 123/09


Jan Giersdorf/DAZ.online