OLG Stuttgart vermisst Betriebserlaubnis

Vitalsana verstößt gegen Apothekenrecht

Stuttgart - 18.02.2011, 12:15 Uhr


Nach einem Urteil des OLG Stuttgart darf die niederländische Versandapotheke Vitalsana nicht in ihrer jetzigen Form weiter betrieben werden. Selbst wenn sie nur einzelne Arbeitsgänge, die dem pharmazeutischen Bereich unterfallen, in Deutschland durchführe, bedürfe sie einer deutschen Betriebserlaubnis.

Bei der Wettbewerbszentrale ist die Erleichterung über das Urteil groß. In der Vorinstanz hatte das Landgericht Ulm noch entschieden, dass die Schlecker-Tochter keiner deutschen (Teil-)Betriebserlaubnis bedarf. Es hatte Vitalsana lediglich hinsichtlich ihrer Werbung in die Schranken gewiesen. Der 2. Zivilsenat des OLG Stuttgart bestätigte das Urteil der Vorinstanz, soweit es um diese Werbung ging. Hier war moniert worden, dass die Werbung den Eindruck erwecke, nicht der niederländische Apotheken-Ableger von Schlecker, sondern Schlecker selbst werde Vertragspartner bei einer Bestellung. Auch wenn die konkret beanstandete Werbung mittlerweile eingestellt sei, bestehe doch Wiederholungsgefahr, so das OLG.

Klar gegen das Landgericht stellte sich der Senat aber bei der Frage, ob Vitalsana einer deutschen Apothekenbetriebserlaubnis bedürfe. Dabei machen die Richter in ihrem 45-seitigen Urteil keine allzu großen Umschweife. Grundsätzlich, so räumen sie ein, bedürfe eine niederländische Versandapotheke keiner deutschen Betriebserlaubnis. Die Niederlande stehen auf der für die Gerichte bindenden BMG-Übersichtsliste von Mitgliedstaaten, in denen für den Versandhandel dem deutschen Recht entsprechende Sicherheitsstandards bestehen. Allerdings betonen die Richter, dass man die Zulässigkeit des Versandhandels nicht unabhängig davon festschreiben könne, welche Tätigkeiten über eine gewerbliche Niederlassung in Deutschland erledigt werden. Dies könne zu „Schutzlücken“ führen, da eine lückenlose Kontrolle nach dem Maßstab des deutschen Apothekenrechts aufgrund der Aufspaltung der Kontrolle auf Behörden zweier – noch dazu verschiedensprachiger – Staaten nicht gewährleistet wäre. Dies wäre mit dem Grundgedanken des deutschen Apothekengesetzes unvereinbar und auch von der amtlichen Übersicht nicht mehr gedeckt, so die OLG-Richter.

Das Apothekengesetz knüpft die Befugnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke an eine personengebundene Erlaubnis – der Erlaubnisinhaber ist zur persönlichen Leitung in eigener Verantwortung verpflichtet. Dabei gehe der Gesetzgeber davon aus, dass der Erlaubnisinhaber die ihm als Apothekenleiter obliegende pharmazeutische Tätigkeit nicht aus der Hand geben dürfe. Damit lasse sich nicht vereinbaren, den Apothekenbetrieb zeitweise einer Gesellschaft und deren Personal oder von der Gesellschaft vermittelten anderen Apothekenleitern zu überlassen. Arbeitsgänge, die dem pharmazeutischen Betrieb der Apotheke zuzurechnen sind, müssten unter der direkten Kontrolle des verantwortlichen Apothekers ausgeführt werden. Lässt eine ausländische Apotheke Versandapotheke solche Tätigkeiten ind Deutschland ausführen – was hier unstreitig der Fall ist – bedürfe sie dazu einer deutschen Apothekenbetriebserlaubnis. So hat die Beklagte etwa eingeräumt, dass sie Anrufe zur Bestellannahme und Beratung von einer Drittfirma in Deutschland entgegennehmen und bearbeiten lässt, wenn die Kapazitäten in Holland erschöpft sind. Das Gericht betont, dass es sich hierbei um pharmazeutisch bedeutsame Tätigkeiten handele – auf die Zahl der tatsächlich in Deutschland abgearbeiteten Anrufe komme es dabei gar nicht an. Vielmehr berühre jeder einzelne Anruf den Schutzzweck der hier in Rede stehenden Normen, nämlich die Arzneimittelsicherheit und damit die Volksgesundheit zu wahren.

Was die Telefon-Hotline betrifft, für die Kunden Entgelte zu zahlen haben, so führt das OLG aus, dass diese nicht mit der in der Apothekenbetriebsordnung verankerten Beratungspflicht vereinbar sei. Zwar bestehe für Versandapotheken eine Ausnahme von der Beratungspflicht, um den tatsächlichen Besonderheiten des Versandhandels Rechnung zu tragen. Jedoch dürfe eine Versandapotheke „keinerlei Hürden aufrichten, die geeignet sein könnten, den Kunden (Patienten) davon abzuhalten, sich den Rat einzuholen, den er sich einholen möchte“. Sollte das Urteil in diesem Punkt auch vor dem Bundesgerichtshof Bestand halten, so bedeutete dies auch für die deutschen Versandapotheke einen Wermutstropfen: Auch sie müssten ihre Hotlines umstellen, so sie kostenpflichtig sind.


Kirsten Sucker-Sket