Zytostatika-Betrug

Anklage gegen Apotheker

Berlin - 11.01.2011, 14:47 Uhr


Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 21. Dezember 2010 muss sich ein Apotheker, der im Zusammenhang mit dem Zytostatika-Betrugsskandal („Holmsland-Affäre“), ins Visier der Ermittler geraten ist, nun vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München verantworten.

Dem angeklagten Apotheker wird von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt, das für den deutschen Markt nicht zugelassene Fertigarzneimittel Gemzar im Ausland erworben, es nach ärztlicher Verordnung durch Zusetzen von Lösungsstoffen in einem applikationsfähigen Zustand überführt und sodann an die Patienten zur Injektion durch den Arzt abgegeben zu haben. Ferner soll er gegenüber den Krankenkassen zu Preisen der Lauertaxe abgerechnet und dabei konkludent vorgespiegelt haben, dass es sich um ein für den deutschen Markt zugelassenes Arzneimittel handele.

Das Landgericht München hatte die Anklage zunächst nicht zur Hauptverhandlung zugelassen: Der Angeklagte habe sich nicht strafbar gemacht. Weder habe er entgegen § 96 Abs. 1 AMG ein Fertigarzneimittel in den Verkehr gebracht, noch bei der Abrechnung mit den Kassen falsche Angaben gemacht.  Das Gericht vertrat die Auffassung, dass der Apotheker lediglich eine Infusionslösung unter Verwendung von Gemzar im Sinne von § 4 Nr. 14 AMG hergestellt habe – das Ergebnis dieses Prozesses sei kein Fertigarzneimittel.

Das OLG subsumiert das Verhalten dagegen sehr wohl unter den Begriff des Inverkehrbringens – und nach § 96 Nr. 5 AMG ist dieses strafbar, wenn es sich um ein Fertigarzneimittel ohne Zulassung handelt. Der Apotheker habe kein neues Arzneimittel hergestellt: Das Auffüllen des Arzneimittels mit Kochsalzlösung und das Umfüllen in ein anderes Behältnis stelle kein qualitative Veränderung des ursprünglichen Fertigarzneimittels dar, sondern lediglich eine Überführung in eine andere Applikationsform. Aus einem nicht zugelassenen Arzneimittel könne durch bloße „Streckung“ kein zulässiges Arzneimittel entstehen, welches in den Verkehr gebracht werden dürfe.

Auch den Vorwurf des gewerbsmäßigen Betrugs hält das OLG für erfüllt. Es verweist auf die ständige Rechtsprechung, derzufolge ein Arzneimittel nicht erstattungsfähig ist, wenn es nach den Regeln des Arzneimittelrechts eine Zulassung bedarf und diese nicht erteilt worden ist.

Für Dr. Jörn Graue, den Vorsitzenden des Apothekervereins Hamburg, zeigt der Beschluss erneut, wie dringend notwendig es ist, in dieser Grauzone mehr Klarheit zu schaffen. Aus seiner Sicht hätte in der Anlage 3 zur Hilfstaxe schon längst klargestellt werden müssen, dass Fertigarzneimittel nur dann abrechenbar sind, wenn für die Zubereitung ein in Deutschland zugelassenes Fertigarzneimittel verwendet wird. Auf eine entsprechende Änderung arbeitet Graue schon seit längerer Zeit hin. Noch immer würden derartige Machenschaften in zu großem Maße betrieben, ohne dass man ihnen Herr werden würde, sagte er DAZ.online – und dass, obwohl die Sache eigentlich klar sein müsste. Der nun ergangene Beschluss sei daher für alle Beteiligten „hilfreich“.


Kirsten Sucker-Sket