Apothekenterminal

Der Automat erfüllt keine Dokumentationspflichten

Leipzig - 12.08.2010, 12:10 Uhr


Mit Urteil vom 24. Juni untersagte das Bundesverwaltungsgericht Leipzig die Abgabe von rezept- und apothekenpflichtigen Arzneimittel über ein Apothekenterminal („Visavia). Nur in äußerst eng umgrenzten Fällen dürfe

Leitsatz des Urteils

  • - Die Abgabe von Arzneimitteln auf Verschreibung über ein Apothekenterminal genügt nicht den Dokumentationspflichten nach § 17 Abs. 5 und 6 der Apothekenbetriebsordnung.
  • - Die Bedienung des Apothekenterminals durch das Personal eines Gewerblichen Dienstleisters verstößt gegen die Pflicht des Apothekers aus § 7 des Apothekengesetzes zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung.

Dokumentationspflichten

Ein zentraler Kritikpunkt am Apotheken-Abgabeautomat ist die fehlende Möglichkeit des Apothekers, das Rezept vor der Abgabe zu unterschreiben. Damit werde den gesetzlichen Dokumentationspflichten des Apothekers nicht genügt. Für den Apotheker sei es auf diesem Weg der Abgabe nicht möglich, die Angaben auf dem Rezept bei der Abgabe des Arzneimittels abzuzeichnen und eventuelle Änderungen zu unterschreiben. Durch das System sei es außerdem nicht gewährleistet, dass die Änderung der Verschreibung stets von demjenigen unterschrieben wird, der die Änderung der Verschreibung veranlasst hat. Auch die normalen Dokumentationspflichten bei verschreibungspflichtigen und verschriebenen Arzneimitteln werden durch das Terminal nicht erfüllt, so das Gericht. So müssen bei jeder Verschreibung u. a. das Namenszeichen des Apothekers oder des sonstigen dafür befugten Personals oder des Apothekers, der die Abgabe beaufsichtigt hat, hinzugefügt werden. „Damit ist ein handschriftliches Zeichen im Sinne eines Abzeichnens gemeint und nicht lediglich ein aufgedruckter oder gestempelter Namenszug“, so das Gericht in der Begründung.

Das Bundesverwaltungsgericht stellt aber auch fest, dass der Betrieb des Terminals mit Hilfe eines Servicecenters unzulässig ist: „Der Einsatz eines Terminals verstößt außerdem gegen die Pflicht zur persönlichen Leitung einer Apotheke in eigener Verantwortung (§ 7 Satz 1 ApoG), soweit das Gerät außerhalb der normalen Öffnungszeiten der Apotheke durch einen Dritten betrieben wird.“ Der Apotheker sei nach dem Apothekengesetz zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung verpflichtet. Im Widerspruch dazu stehe, dass mit dem Einsatz des Apothekenterminals die Abgabe von Arzneimitteln aus der Apotheke einschließlich der Beratung und Information der Kunden auf einen gewerblichen Dienstleister übertragen werde.

Was die Abgabe von apothekenpflichtigen Arzneimitteln über das Terminal betrifft, so verstößt dies gegen die Verpflichtung des Apothekers zur Information und Beratung, soweit das Terminal außerhalb der normalen Öffnungszeiten der Apotheke eingesetzt wird.

Interessant sind die Ausführungen des Gerichts in Bezug auf den Versandhandel, hier heißt es in der Begründung wörtlich:

„Zwar zeigt die vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit, Arzneimittel im Wege des Versandhandels zu beziehen, dass die Pflicht zur persönlichen Beratung keine zwingende Voraussetzung jeder Arzneiabgabe ist. Wenn Arzneimittel per Post, Telefon oder Internet bestellt werden können, kann der Apothekenbetriebsordnung nicht mehr die Absicht entnommen werden, sie wolle den Kunden stets zu einem persönlichen und zudem direkten Kontakt mit dem Apotheker zwingen, um ihm die Besonderheit der Ware Arzneimittel deutlich zu machen und ihn persönlich mit dem Beratungsangebot zu konfrontieren. Mit der Einführung des Versandhandels hat der Gesetzgeber deshalb bewusst die Inanspruchnahme der Beratung durch den Apotheker in die freie Entscheidung des Patienten gestellt. Diese freie Entscheidung bleibt gewährleistet, wenn der Kunde während der normalen Öffnungszeiten der Apotheke die Wahl hat, entweder das Terminal zu benutzen oder den persönlichen Kontakt mit dem Apotheker zu suchen. Außerhalb der normalen Öffnungszeiten der Apotheke besteht diese Wahlmöglichkeit aber nicht. Insoweit hilft auch der Umstand nicht weiter, dass die Abgabe über das Terminal mit der akustischen und visuellen Verbindung mit einem Apotheker via Internet immer noch eine bessere Beratungsmöglichkeit bietet als der Bezug von Arzneimitteln im Versandhandel, bei dem lediglich eine Beratungsoption über Telefon gefordert ist (§ 17 Abs. 2a Satz 1 Nr. 7 ApBetrO); denn zwischen der Bestellung von Arzneimitteln im Versandhandel und der Abgabe von Arzneimitteln über ein außerhalb der normalen Öffnungszeiten einer Apotheke zugängliches Terminal bestehen rechtlich relevante Unterschiede. Der Versandhandel wird typischerweise für den Bezug von Arzneimitteln genutzt, bei denen der Kunde keinen Beratungsbedarf sieht, weil ihm das Medikament bereits vertraut ist oder er jedenfalls nicht darauf angewiesen ist, es sofort verwenden zu müssen. Ein außerhalb der normalen Öffnungszeiten der Apotheke betriebenes Terminal wird vom Kunden hingegen - nicht notwendig, aber doch typischerweise - eher als ein Ersatz für den Notfallschalter der Apotheke angesehen. Wenn ein Kunde sich spätabends oder zur Nachtzeit zu dem Abgabeterminal einer Apotheke begibt, geschieht dies häufig in akuten oder vom Kunden jedenfalls als dringlich empfundenen Situationen. Er sucht dann gerade deshalb eine Apotheke auf, weil er einen Erwerb über den Bezugsweg des Versandhandels nicht abwarten kann oder will. In diesen Fällen verzichtet der Kunde nicht von sich aus auf eine Beratung und Information durch den Apotheker, sondern fordert sie durch das Aufsuchen der Apotheke gerade ein. Er darf deshalb erwarten, dass ihm an der in dieser Weise „dienstbereiten“ Apotheke dieselben Beratungs- und Informationsleistungen zuteilwerden wie an einem Notfallschalter oder einer Apotheke während der normalen Öffnungszeiten. Das ist jedoch durch das Terminal nicht gewährleistet. Die Kontaktaufnahme mit einem Apotheker über Bildtelefon via Internet bietet keinen gleichwertigen Ersatz für eine persönliche Beratung; dies gilt erst recht in den Fällen, in denen die Anwendungsweise des Arzneimittels demonstriert werden muss oder es für den Apotheker von Bedeutung ist, den körperlichen oder seelischen Zustand des Kunden richtig zu erfassen.“


Peter Ditzel