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Mildes Mittel

Süsel - 28.10.2015, 17:30 Uhr

Was wiegt schwerer? Ökonomisch-wettbewerbliche Gesichtspunkte oder der Gesundheitsschutz? (Bild: pogonici/ Fotolia)

Was wiegt schwerer? Ökonomisch-wettbewerbliche Gesichtspunkte oder der Gesundheitsschutz? (Bild: pogonici/ Fotolia)


Apotheker sind entsetzt über die jüngsten Gedanken der EU-Kommission zur Arzneimittelpreisbindung. Welche logischen, politischen und juristischen Schwachpunkte er darin sieht, schreibt Thomas Müller-Bohn in einem Kommentar.

Die EU-Kommission wäre vor Gericht auch nur eine streitende Partei. Der Europäische Gerichtshof entscheidet - und er hat bekanntlich im Dezember 2003 entschieden, dass sogar ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel mit dem EU-Recht vereinbar wäre. Denn die nationalen Gestaltungsmöglichkeiten des Gesundheitsschutzes wiegen stärker als etwaige Beschränkungen des Wettbewerbs. Wenn aber sogar ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zulässig ist, sollte die Preisbindung ganz sicher ein milderes Mittel sein, das demnach erst recht nicht zu beanstanden ist.

Angesichts der Argumentationsweise des Europäischen Gerichtshofes stellt sich zudem gar nicht die Frage, ob der Wettbewerb beeinträchtigt ist oder nicht. Denn das Gericht hat entschieden, dass Wettbewerb bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln überhaupt kein gültiges Argument ist, sondern dass die Frage mit Blick auf die gesundheitlichen Belange zu entscheiden ist. Die ganze krude (Un-)Logik in der Argumentation der EU-Kommission ist daher belanglos. Gleiche Preise als Begründung für angeblich unfaire Bedingung anzuführen, kann ohnehin nur als allerletzter verzweifelter Versuch zur Rettung einer aussichtslosen Position betrachtet werden.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass die EU-Kommission weiterhin Wettbewerb als Selbstzweck verfolgt. Doch dies ist keine Neuigkeit. Es wird nur wieder einmal bestätigt. Gemäß der ökonomischen Theorie ist Wettbewerb ein Mittel für die Suche nach der besten Gestaltung des Austausches von Waren oder Dienstleistungen und nach der besten Ressourcenallokation. Doch die Arzneimittelversorgung ist nicht nur eine Frage der Distribution, sondern ein vielschichtiges pharmazeutisches, politisches, soziales und auch (aber nicht nur) wirtschaftliches Thema. Auf die falsche Frage kann es aber keine richtige Antwort geben. So dient Wettbewerb nicht mehr der Lösung eines ökonomischen Problems, sondern wird zu reinem Selbstzweck.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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