Widerstand der Pharmaverbände

Kein Off label use aus wirtschaftlichen Gründen

Remagen - 03.09.2015, 08:50 Uhr

Mehrere europäische Pharmaverbände wehren sich gegen einen Off labe use aus wirtschaftlichen Gründen. (Bild: valentint/Fotolia)

Mehrere europäische Pharmaverbände wehren sich gegen einen Off labe use aus wirtschaftlichen Gründen. (Bild: valentint/Fotolia)


Die europäischen Pharma-Dachverbände EFPIA, EUCOPE und EuropaBio haben bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde gegen das französische „RTU-Regime“ eingereicht, das zum 1. September 2015 wirksam geworden ist. Danach darf die französische Arzneimittelagentur ANSM auch aus wirtschaftlichen Gründen eine befristete Genehmigung zur Off label-Verwendung (Recommandation Temporaire d'Utilisation) eines Produkts ausstellen. Dies kann dann zur Anwendung kommen, wenn es eine zugelassenes Alternativ-Präparat gibt, dieses aber teurer ist.

Eine solche Entwicklung sei beunruhigend und verstoße gegen europäisches Recht und Rechtsprechung, reklamieren die Verbände in einer gemeinsamen Presseerklärung. Sie befürchten, dass der von Regierungen geförderte Off Label-Einsatz von Arzneimitteln aus wirtschaftlichen Gründen das robuste EU-Zulassungsverfahren und damit das Sicherheitssystem für Arzneimittel mit den hohen Standards für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit unterlaufen und damit Patienten in Gefahr bringen könnte. Auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU, die die Förderung des Off label-Gebrauchs von Arzneimitteln aus wirtschaftlichen Gründen verbiete, werde damit konterkariert.

Die Verschreibung von Medikamenten außerhalb der Zulassungsbedingungen sei lediglich für bestimmte Situationen vorgesehen, in denen bei einem einzelnen Patienten ein konkreter medizinischer Bedarf bestehe, und nur, sofern alle Sicherheitsmaßnahmen und Vorkehrungen beachtet wurden. Darüber hinaus müssten die Patienten sich über die Vorteile und potenziellen Risiken voll im Klaren sein und der Verschreibung ausdrücklich zustimmen.

Sicherheit der Patienten in Gefahr

Der Generaldirektor des Dachverbandes der forschenden Pharmaunternehmen EFPIA Richard Bergström übt harsche Kritik: „Es ist einfach nicht akzeptabel, dass politische Entscheidungsträger, die sich um den Umfang der Gesundheitsausgaben kümmern sollen, Gesetze einführen, die nicht nur EU-Regeln widersprechen, sondern auch das allgemeine Regulierungssystem der Europäischen Union gefährden, das die Sicherheit der Patienten gewährleisten soll.“ EUCOPE-Generalsekretär Alexander Natz argumentiert: „Der Arzt sollte über die Behandlung des einzelnen Patienten entscheiden und nicht der Gesetzgeber oder der, der die Therapie bezahlt. Wir fordern die Europäische Kommission deshalb dazu auf, nationale Entwicklungen, die gegen EU-Recht verstoßen, zu stoppen.“           

Die Franzosen stehen mit ihrer neuen Initiative nicht alleine da. Auch Italiens Arzneimittelbehörde AIFA hatte im Juni 2014 angekündigt, in einigen Fällen zur Kostenersparnis die Erstattung eines Arzneimittels beim Off Label-Einsatz erlauben zu wollen, selbst wenn eine zugelassene Alternative zur Verfügung steht. Am 9. Juni 2014 hatte sie auf dieser Basis die Anwendung von Bevacizumab außerhalb der Zulassung am Auge ausdrücklich genehmigt. Die EFPIA hatte das Vorgehen der Italiener seinerzeit ebenfalls bereits heftig kritisiert.


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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