AMNOG-Report der DAK-Gesundheit

AMNOG-Beschlüsse kommen bei Ärzten nicht an

Berlin - 17.02.2015, 15:51 Uhr


Das AMNOG erfährt viel Lob: Endlich müssen neue Arzneimittel ihren Zusatznutzen unter Beweis stellen. Und der Hersteller darf jedenfalls ab dem zweiten Jahr im Markt keinen Phantasiepreis mehr nehmen. Ein Haken: Bei den Ärzten in der Praxis kommen die Erkenntnisse der frühen Nutzenbewertung kaum an. Sie verordnen auch fleißig Medikamente, die laut G-BA keinen Zusatznutzen haben. Zu diesem Ergebnis kommt der neue AMNOG-Report der DAK-Gesundheit.

Professor Wolfgang Greiner, Gesundheitsökonom an der Universität Bielefeld und Mitglied des Sachverständigenrats im Gesundheitswesen, hat für die DAK-Gesundheit die ersten AMNOG-Jahre von 2011 bis 2013 unter die Lupe genommen. In dieser Zeit wurden 58 Wirkstoffe in 64 Verfahren der frühen Nutzenbewertung unterzogen und 44 Erstattungsbeträge vereinbart. Für den Report stellen Greiner und seine Co-Autoren zum einen die Nutzenbewertungsverfahren nach Indikationen aufgeschlüsselt dar. Zum anderen nehmen sie sich den Auswirkungen dieser Beschlüsse auf das Verordnungsgeschehen an. Schließlich war es ein Ziel des AMNOG, dass Medikamente ohne Zusatznutzen deutlich weniger verordnet werden.

Ein Ergebnis des DAK-Reports ist jedoch: Auch wenn Arzneimitteln kein therapeutischer Fortschritt bescheinigt wird, werden sie häufig verordnet. So haben Wirkstoffe ohne Zusatznutzen innerhalb des ersten Jahres nach Veröffentlichung des Prüfergebnisses beachtliche Verordnungszahlen und -zuwächse erreicht. Ein Beispiel: das MS-Medikament Fampyra® (Fampridin). Lag der Bruttoumsatz mit diesem Präparat für DAK-Versicherte 2011 noch bei rund einer Million Euro, waren es 2013 gut zehn Millionen Euro. Und das, obwohl ein Zusatznutzen nicht festgestellt wurde.

„Die kritische wissenschaftliche Bewertung der Präparate würde ein anderes Verordnungsverhalten der Ärzte erwarten lassen“, sagt DAK-Chef Professor Herbert Rebscher. „Über die Gründe, warum Ärzte sich häufig nicht an der wissenschaftlichen Bewertung orientieren, lässt sich nur spekulieren: Möglicherweise spielen hier Informationsmängel eine Rolle.“

Ludwig: Desinformation durch Pharmamarketing

Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Onkologe und Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, sieht zum einen das „enorm diversifizierte Informationssystem“ als Ursache – zum anderen die nach wie vor bestehende Dominanz des Marketings der Hersteller. Auf die G-BA-Beschlüsse selbst schaue kaum ein Arzt. Dafür würden die Mediziner mit Informationen von unterschiedlichsten Seiten gefüttert – nur leider nicht mit unabhängigen. Dabei gibt es diese. Sie müssten aus Ludwigs Sicht zentralisiert und verbreitet werden, damit sie in den Köpfen der Ärzte ankommen.

Rebscher hat auch schon eine Idee, wer das Problem der schnellen und routinehaften Verfügbarkeit von evidenzbasierten Ergebnissen im Praxisalltag angehen könnte: das neu geplante Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG).

Pharmaverbände mit anderem Blickwinkel

Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Pharmaunternehmen, erklärte, es sei „gut, dass die Ergebnisse des AMNOG für die Versorgung von Patienten kritisch diskutiert werden“. Für sie stellt sich die Umsetzung jedoch offenbar ganz anders dar als für die DAK: Sie spricht von Unterversorgungsquoten von bis zu 90 Prozent bei Medikamenten, die das AMNOG-Verfahren durchlaufen haben – dies sei „nicht tolerabel“.

Henning Fahrenkamp, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der pharmazeutischen Industrie kritisierte den Report als interessengeleitet: „Es geht hier nicht um Patientennutzen oder Therapievielfalt, sondern wie so oft um Kostensenkung. Dass, wie behauptet, tatsächlich so viele neue Arzneimittel in der Praxis keinen Zusatznutzen haben sollen, ist mehr als fraglich. Schwachstellen hat das AMNOG-System hingegen zuhauf.“


Kirsten Sucker-Sket


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