Kommentar zum GKV-VSG

Verschlimmbesserung

Süsel - 14.10.2014, 15:52 Uhr


In Sachen Nullretax ist der jüngste Gesetzentwurf aus dem Gesundheitsministerium nicht nur enttäuschend, sondern droht das Problem sogar zu verschlimmern. Denn mit dem Auftrag, den zulässigen Umfang von Retaxationen vertraglich zu regeln, würde gesetzlich festgeschrieben, dass es Nullretaxationen unter bestimmten Umständen geben darf. Ebenso problematisch erscheint die Gesetzesbegründung. Ein Kommentar.

Dort wird einerseits erklärt, Apotheker sollten vor unsachgemäßen Retaxationen und Überforderung geschützt werden, andererseits solle dies bei Rabattverträgen nicht gelten, weil zu diesen bereits gerichtlich entschieden wurde. Wenn die Apotheker aber geschützt werden müssen, gibt es keinen Grund, warum dieses Schutzbedürfnis bei Rabattverträgen nicht bestehen soll.

Das entscheidende Problem ist, dass der Gesetzgeber die Kraft aufbringen sollte, Fehlentwicklungen zu beenden. Auf dem Apothekertag schien dies bei den Politikern angekommen zu sein – im jüngsten Gesetzentwurf ist es aber nicht zu erkennen. Doch wenn Gerichte die bisherigen Gesetze so auslegen, dass die Ergebnisse untragbar sind, ist der Gesetzgeber gefragt, neue Gesetze zu schaffen. Das ist sein Gestaltungsauftrag.

Wenn der jetzt vorliegende Entwurf zum Gesetz würde, könnte dies vermutlich einige Nullretaxationen verhindern, aber es würde das Problem nicht lösen: Apotheker müssten weiterhin Angst haben, in irgendeine Retaxfalle zu tappen, auch wenn es vielleicht ein paar Fallen weniger gäbe. Eine konstruktive Lösung wäre eine gesetzliche Vorschrift, die Retaxationen auf die Handelsspanne der Apotheke beschränkt, sofern der Versorgungsauftrag erfüllt wurde. Wenn eine Verordnung nach den arzneimittelrechtlichen Regeln, also nach den Kriterien für Privatpatienten, korrekt beliefert wird, muss der Apotheker einen gesetzlichen Anspruch auf den Herstellerabgabepreis haben.

Anderes kann nur bei schuldhaften Verfehlungen wie bewusstem Betrug oder grober Fahrlässigkeit wie dem Übersehen einer offensichtlichen Fälschung gelten, weil in diesen Fällen gar keine ordnungsgemäße Verordnung vorliegt. Bis zu diesem Punkt sind klare gesetzliche Regeln nötig. Für alle anderen Fälle kann über Retaxationen im Rahmen der Apothekenspanne verhandelt werden, aber nicht mehr. Das wäre dann auch ein Verhandlungsauftrag an die Selbstverwaltung, den der Gesetzgeber offenbar in dem neuen Gesetz unterbringen möchte.


Dr. Thomas Müller-Bohn