TK-Bestandsmarktreport

Teuer und ohne Zusatznutzen

Berlin - 20.08.2014, 15:25 Uhr


Die Politik hat den Bestandsmarktaufruf aufgebeben. Die Techniker Krankenkasse (TK) sieht sich dennoch in der Pflicht, diese Arzneimittel genauer unter die Lupe zu nehmen – jedenfalls solche, die in der Verordnungspraxis eine größere Rolle spielen. Sie will Ärzte darüber aufklären, dass viele dieser Präparate keinen Zusatznutzen gegenüber anderen – günstigeren – Medikamenten haben. Dazu hat die Kasse nun mit Unterstützung von Professor Dr. Gerd Glaeske ihren ersten Bestandsmarktreport vorgelegt.

Nach dem TK-Innovationsreport, der sich mit den nach dem 1. Januar 2011 eingeführten Arzneimitteln befasst, kommt nun der nächste Glaeske-Report der TK. Diesmal hat der Bremer Arzneimittelversorgungsforscher 17 Präparate aus drei Wirkstoffgruppen untersucht: drei neue orale Antikoagulantien (NOAK) zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern, sechs neuere Antidiabetika sowie acht Biologika zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis. Bestandsmarktarzneimittel sind es nicht durchgängig, auch neuere Präparate finden sich unter ihnen – etwa der GLP-1-Rezeptoragonist Lixisenatid oder das orale Antithrombotikum Apixaban.

Wie schon beim Innovationsreport verteilt Glaeske Ampeln. Bewertet wird anhand von drei Kriterien:

1. Welche Therapien sind schon verfügbar? Grün leuchtet die Ampel nur, wenn das zu bewertende Arzneimittel in der Hauptindikation die einzige verfügbare Option ist oder zumindest als Erstlinientherapeutikum zugelassen ist. Rot bekommt, wer nicht für eine Erst- oder Zweitlinientherapie zugelassen ist. Gelb gibt es für nach Leitlinien empfohlene Reservearzneimittel bzw. zugelassene Zweitlinientherapien.

2. Welchen Zusatznutzen bietet das Präparat? Ist er gegenüber bisher verfügbaren Arzneimitteln nicht vorhanden – oder gibt es sogar mehr Nebenwirkungen – so leuchtet die Ampel rot. Gelb gibt es bei Vorteilen hinsichtlich der Wirksamkeit oder Verträglichkeit – auch wenn die Evidenz nicht eindeutig ist. Für grün ist ein therapeutisch relevanter Vorteil zu belegen.

3. Wie steht es um die Kosten? Grün gibt es hier nur, wenn das Arzneimittel günstiger ist als bisher verfügbare. Gelb heißt, die Kosten sind etwa gleich hoch, bei rot liegen sie darüber.

Glaeskes Fazit ist deutlich: Grüne Ampeln hat er nicht vergeben. Bei den sechs geprüften Antidiabetika leuchtet es im Gesamtscore durchweg rot. Zwei der bewerteten Präparate haben die Hersteller schon vom Markt genommen (Vildagliptin und Lixisenatid). Beide hätten nach durchlaufener früher Nutzenbewertung nur zu einem Preis verkauft werden können, der für die Hersteller nicht akzeptabel gewesen wäre.  Für Glaeske und TK-Chef Jens Baas ist die Marktrücknahme eine verständliche Entscheidung. „Den Herstellern fehlt der Umsatz – aber die Arzneimittel fehlen uns nicht“, so Glaeske.

In den anderen beiden Indikationsbereichen fällt das Ampelurteil hingegen über alle Präparate hinweg gelb aus – obwohl die Kosten-Ampel in den meisten Fällen auf rot steht. Zwei Ausnahmen gibt es: Unter den NOAK leuchtet es für Apixaban (Eliquis®) gelb, unter den Biologika gegen rheumatoide Arthritis ist es Rituximab (MabThera®). Doch obwohl beide Präparate klar günstiger sind als die Konkurrenz können sie sich in der Verordnung kaum gegen die Erstlinge auf dem Markt durchsetzen.

Am Ende überzeugt Glaeske keines der geprüften Medikamente – auch wenn er ihre Wirksamkeit nicht anzweifelt. Aber ein höherer Preis sei nur gerechtfertigt, wenn es mehr Nutzen bringe als ein schon verfügbares Arzneimittel.

TK-Vorstandschef Baas kann die Abkehr von der Bestandsmarktbewertung politisch nachvollziehen. Aus fachlicher Sicht sei sie jedoch nicht entbehrlich. „Dabei geht es nicht allein um Geld, das möglicherweise unnötig ausgegeben wird, sondern ganz wesentlich auch um die Versorgungsqualität der Patienten." Und so hofft er nun, mit dem neuen Report möglichst viele Verordner zu erreichen.


Kirsten Sucker-Sket


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