Lieferengpässe und Produktionsmängel

BfArM-Präsident für Meldepflicht

Berlin - 05.05.2014, 10:09 Uhr


Walter Schwerdtfeger, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), hält die Aufregung wegen der bisherigen Arzneimittel-Lieferengpässe für „übertrieben“. Zwar sei es „störend, wenn ein Medikament zeitweise nicht verfügbar ist“. Dramatisch für die Bevölkerung seien die Engpässe aber noch nicht, sagte er der „Welt“. Allerdings ist es für Schwerdtfeger wünschenswert, dass die Produktion wichtiger Ausgangsstoffe wieder mehr nach Europa zurückverlagert wird.

Der BfArM-Präsident gibt sich im „Welt“-Interview (3. Mai) nüchtern in Sachen Lieferengpässe: „Es gab sie schon immer, und sie werden sich auch nie ganz vermeiden lassen“. Die Hände in den Schoß legen will er jedoch nicht. Die auf der BfArM-Webseite veröffentlichte Engpass-Liste, die auf freiwilligen Angaben der Hersteller beruht, sei „nur ein erster Schritt“. Schwerdtfeger räumt ein: „Diese Informationen sind zum Teil lückenhaft oder enthalten sogar Fehler“. Für sinnvoll hält er daher eine für alle Hersteller verbindliche Regelung, Produktionsprobleme und Lieferschwierigkeiten sofort zu melden.

Was die Herstellungsprobleme betrifft, auf die die Engpässe zumeist zurückzuführen sind, weist der BfArM-Präsident darauf hin, dass Pharmaunternehmen seit Jahren immer stärker auf Ausgangsstoffe aus Schwellenländern zurückgreifen. Hier sei die Prüfdichte von Herstellungsbetrieben vielfach geringer als in Europa oder den USA. „Problematisch wird es dann, wenn unerkannte Mängel oder in manchen Fällen auch bewusste Verfälschungen vor der Weiterverarbeitung der Stoffe nicht erkannt werden“. Dies sei nicht nur bei Wirkstoffen aus Schwellenländern bereits mehrfach passiert. „Nach den Gesetzen der Statistik ist deshalb zu erwarten, dass aus solchen Mängeln früher oder später auch ein größerer Schaden entstehen kann“. Um dem gegenzusteuern, sollte die Politik daher Anreize schaffen, die die Sicherheit in der Produktion stärker belohnen. „Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, dass die Produzenten zumindest einen Teil ihrer Herstellung, vor allem von besonders wichtigen Ausgangsstoffen, nach Europa zurückverlagern“, so Schwerdtfeger. Bisher lehnten das fast alle Unternehmen aus Kostengründen ab.

Wenig Verständnis hat Schwerdtfeger auch für die angeheizte Debatte zu den Grippemitteln Tamiflu und Relenza. Die Studien der Cochrane-Wissenschaftler, die die Wirksamkeit der Mittel in Zweifel ziehen, und vor allem die durch sie ausgelöste öffentliche Diskussion empfinde er „eher als ärgerlich“. Berichte erweckten den Eindruck, es seien neue Nebenwirkungen festgestellt worden. „Es stand aber von Beginn an in den Produktinformationen und dem öffentlichen Bewertungsbericht, dass es nach Einnahme zu relativ trivialen Beschwerden wie Schwindel und Übelkeit kommen kann“, so der BfArM-Präsident. Bei der Wirksamkeit könne man sich darüber streiten, ob die Arzneimittel eine Krankheitsphase von fünf Tagen um einen ganzen oder einen halben Tag verkürzen. Schwerdtfeger sieht es pragmatisch: „Fest steht, sie verkürzen – nur das ist für uns relevant“. Aus Sicht des Infektionsschutzes zähle jede Stunde.

Der BfArM-Chef will auch an der Reserve der Grippemittel festhalten. Wenn es wirklich mal zu einer Epidemie oder gar einer Pandemie komme, „schlägt die Stunde von Tamiflu und Relenza, dann sind Patienten und Ärzte sensibilisiert, so dass diese Medikamente schnell zu den Infizierten gelangen können“. Das Einlagern habe zwar Geld gekostet. Aber die Alternative sei, gar nichts zu tun. Da viele Menschen keinen ausreichenden Impfschutz hätten, könne dies nicht die Lösung sein.


Kirsten Sucker-Sket


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