Pille danach rezeptfrei

Gynäkologen befürchten Beratungsmängel

Berlin - 11.11.2013, 11:19 Uhr


Der Berufsverband der Frauenärzte reagiert skeptisch auf die Forderung der Länder, Levonorgestrel nach einer Beratung in der Apotheke rezeptfrei zugänglich zu machen. Sie befürchten eine schlechtere Betreuung und Beratung für betroffene Mädchen und Frauen. Auch den zwischen den Apothekern und der AOK Bayern jüngst geschlossenen Vertrag zur Arzneimittelberatung für Schwangere lehnen die Gynäkologen ab. Den Apothekern fehle dafür das notwendige Fachwissen.

Am Freitag forderte der Bundesrat die Rezeptfreiheit von Levonorgestrel als „Pille danach“. „Die ‚Pille danach‘ kann vor allem jungen Frauen helfen, ungewollte Schwangerschaften zu verhindern und eine Abtreibung zu vermeiden“, erklärt Barbara Steffens (Grüne), Gesundheitsministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, auf dessen Initiative der Beschluss – in Kooperation mit Baden-Württemberg – zustande gekommen war. Die fachliche Beratung bleibe durch den Bezug über Apotheken sichergestellt, versichert Steffens – anders als Arztpraxen hätten Apotheken rund um die Uhr geöffnet.

Die Apotheker stünden für die Beratung auch bereit. Doch nicht jeder hat Verständnis für den Vorstoß der Länder. Nach Meinung des Unions-Gesundheitsexperten Jens Spahn sollte der Einnahme des Notfallkontrazeptivums stets eine ärztliche Beratung vorausgehen. Beim Berufsverband der Frauenärzte fürchtet man einen Qualitätsverlust: „Wir hoffen, dass die Einführung der Rezeptfreiheit nicht zu einer Verschlechterung der Betreuung und Beratung dieser Mädchen und Frauen und damit zu einer Zunahme von Schwangerschaftsabbrüchen führen wird“, erklärte der Verbandspräsident Dr. Christian Albring – die Mädchen und Frauen wüssten ohne Beratung oft nicht, wann und wie sie das Medikament einnehmen sollen.

Der Verband weist darauf hin, dass die politische Entscheidung mit der Versorgungsnotwendigkeit nichts zu tun habe: Gegenüber allen anderen Ländern sänken die Schwangerschaftsabbruchzahlen in Deutschland – trotz Levonorgestrel-Freigabe seien die Abbruchzahlen in Frankreich und England doppelt so hoch. Zudem sei Levonorgestrel als „Pille danach“ nicht Mittel der ersten Wahl: Es könne innerhalb der ersten 24 Stunden nur etwa ein Drittel der Schwangerschaften verhindern – bei Einnahme des neuen Ulipristalacetat seien es zwei bis drei Mal mehr. Außerdem wirke letzteres sogar noch wenige Stunden vor dem Eisprung und bis zu fünf Tage nach der Einnahme.

Auch das neue Angebot in Bayern, bei dem Apotheker die gesamte Medikation von Schwangeren auf mögliche Risiken hin bewerten, sieht der Gynäkologenverband kritisch. Damit werde in die Verordnungshoheit der Ärzte eingegriffen, bemängelt er. Der Apotheker könne durch „Absetzen, Umstellen und Anpassung der Medikation“ in die Verordnungen eingreifen – doch er kenne weder Krankheitsgeschichte noch Diagnosen oder Befunde, und somit auch nicht die exakte Indikation für eine Verordnung. „Die Beratung über Effektivität, Neben- und Wechselwirkungen von verordnungspflichtigen Mitteln sowie deren differenzierter Einsatz erfordern medizinische Kenntnisse.“ Das notwendige Spezialwissen überschreite die apothekerliche Berufsausbildung „bei weitem“. Zudem müsse der Frauenarzt „nicht einmal von einer Manipulation des Apothekers informiert werden“. Der Verband lehnt den Vertrag daher im Interesse der Patientensicherheit ab.

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Juliane Ziegler


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