Nutzenbewertung im Bestandsmarkt

G-BA bestimmt sechs weitere Wirkstoffgruppen

Berlin - 18.04.2013, 17:57 Uhr


Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat heute seine Kriterien für den Aufruf von Arzneimitteln im Bestandsmarkt beschlossen. Zugleich hat er die ersten Präparate bestimmt, die in den nächsten Monaten nacheinander zu festgelegten Zeitpunkten einer Nutzenbewertung unterzogen werden. Den Anfang macht das gegen starke chronische Schmerzen eingesetzte Tapentadol (Palexia® von Grünenthal).

Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Arzneimittel, zeigte sich erfreut über die Beschlussfassung: Man habe ein „willkürfreies“ und „nicht bauchgesteuertes“ Modell für den Bestandsmarktaufruf vorgelegt. Der Beschluss sei zudem einstimmig und mit Zustimmung der Patientenvertreter ergangen.

Grundlage bildet eine Untersuchung des Arzneiverordnungsreports 2012. Dieser hatte auf Basis von 188 Wirkstoffen eine typisierte Bruttoumsatz- und Verordnungsentwicklung im Lebenszyklus von Arzneimitteln ermittelt. Anhand dieser Zyklen wurde sodann eine Prognose zur Umsatz- und Verordnungsentwicklung für den verbleibenden Zeitraum des Unterlagenschutzes getroffen. Dabei wurde der Umsatz als Ausdruck der wirtschaftlichen Bedeutung eines Präparats bei der Berechnung mit 80 Prozent gewichtet, die Zahl der verordneten Arzneimittelpackungen mit 20 Prozent. Da auch im Umsatz bereits eine Mengenkomponente enthalten sei, komme man auf diese Weise zu einer ausgewogenen Gewichtung beider Komponenten, erläuterte Hecken.

Aus diesen Berechnungen hat der G-BA sodann eine Rangfolge für Umsatz und Verordnungen gebildet und die Reihenfolge der Wirkstoffe festlegt, die im Sinne der gesetzlichen Regelung für die Versorgung von Bedeutung sind. Zunächst wurde für sechs Wirkstoffgruppen unter Anwendung dieser Kriterien eine Nutzenbewertung beschlossen:

  1. Tapentadol (Anwendungsgebiet: starke chronische Schmerzen),
  2. Denosumab, Ranelicsäure/Distrontiumsalz, Parathyroidhormon/rekombiniert, Teriparatid (gemeinsames Anwendungsgebiet: Osteoporose),
  3. Rivaroxaban, Dabigatran (gemeinsame Anwendungsgebiete: Vorhofflimmern, Prophylaxe Schlaganfall und kardioembolischer Erkrankungen, tiefe Venenthrombose),
  4. Liraglutid, Exenatid (gemeinsames Anwendungsgebiet: Diabetes mellitus Typ 2),
  5. Agomelatin, Duloxetin (gemeinsames Anwendungsgebiet: Depression),
  6. Tocilizumab, Golimumab, Certolizumab pegol (gemeinsames Anwendungsgebiet: rheumatoide Arthritis).

Tapentadol macht den Anfang – hier hat der Hersteller sein Dossier bis zum 15. Oktober vorzulegen. Die übrigen Wirkstoffgruppen folgen im Vier-Wochen-Rhythmus. Laut Hecken haben diese sechs Gruppen bis zum Ende ihres Unterlagenschutzes ein Umsatz-Gesamtvolumen von rund 5 Milliarden Euro. Dass die jetzt noch spürbaren Einsparungen des 2013 auslaufenden erhöhten Herstellerzwangsrabatt bereits im kommenden Jahr infolge dieser Nutzenbewertungen und ihrer anschließenden Preisverhandlungen kompensiert werden könnten, hält Hecken allerdings für illusorisch. Es sei gar nicht absehbar, wie die Nutzenbewertungen ausgehen – schließlich habe man die Wirkstoffgruppen gerade nicht aus dem Bauch heraus bestimmt. Es könne sich erweisen, dass diese Präparate tatsächlich einen Zusatznutzen haben. Auch Blockbuster gibt es in der Liste nicht. Bei diesen handele es sich zumeist schon um den Therapiestandard, sodass es gar nicht möglich wäre, eine zweckmäßige Vergleichstherapie zu bestimmen.

Hecken betonte, dass der Beschluss für anstehende Bewertungen „eine nachvollziehbare und belastbare Grundlage“ biete. „Pharmazeutische Unternehmen können damit nachvollziehen, ob und wann ihre Präparate einer Nutzenbewertung unterzogen werden“. Die rechnerisch ermittelte Rangfolge der Wirkstoffe sorge für Transparenz und ökonomische Planungssicherheit.

Der G-BA hatte erstmals im Juni 2012 eine Nutzenbewertung des Bestandsmarktes veranlasst – für die Wirkstoffgruppe der Gliptine zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2.


Kirsten Sucker-Sket