Arzneimittel-Ausgaben

BPI: Einsparpotenziale kritisch hinterfragen

Berlin - 26.09.2012, 12:45 Uhr


Morgen ist es wieder so weit: Der Arzneiverordnungs-Report wird vorgestellt. Man darf gespannt sein, welche Einsparpotenziale die Herausgeber dieses Mal berechnet haben. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) ging bereits einen Tag früher vor die Presse. Seine Botschaft: internationale Preisvergleiche und Einsparpotenzial-Berechnungen sind mit Vorsicht zu genießen sind.

Der AVR ist ein Standardwerk der gesetzlichen Krankenkassen. Jahr für Jahr wird hier aufgezeigt, wie es um das Verordnungsverhalten in bestimmten Indikationsgruppen bestellt wird. Vor allem aber werden Zahlen geliefert: Wie viel kann noch im Generikabereich, bei den patentgeschützten Arzneimitteln und bei umstrittenen Medikamenten gespart werden? Seit zwei Jahren gibt es zudem einen internationalen Preisvergleich. Der Tenor ist stets der gleiche: Es gibt noch viel Luft nach oben, der Gesetzgeber darf durchaus Hand anlegen und Potenziale heben.

Aus Sicht von Prof. Dieter Cassel (Uni Duisburg) und Prof. Volker Ulrich (Uni Bayreuth) sollte sich die Politik jedoch nicht von Irrationalitäten leiten lassen. Die seitens des AVR angestellten Berechnungen sind für sie nicht haltbar. Wie der von den forschenden Arzneimittelherstellern vorgelegte Arzneimittel-Atlas kommt auch das vom BPI initiierte Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Methodik des AVR höchst angreifbar ist. So verwendeten die AVR-Autoren ein zweifelhaftes Verfahren, um das Sparpotenzial über eine theoretisch mögliche Substitution – insbesondere im generikafähigen Markt – zu berechnen. Es werde rein nach DDD-Durchschnittskosten substituiert, weitere Kriterien blieben weitgehend intransparent, so Cassel. Am Ende komme der AVR stets zu unrealistisch hohen Einsparpotenzialen.

Zudem haben die BPI-Gutachter die Berechnungen des AVR zu den Ländervergleichen mit Schweden und Großbritannien aus den Jahren 2010 und 2011 nachvollzogen. Hier sei es ein grundsätzlicher Fehler des AVR gewesen, dass die Apothekenverkaufspreise verglichen wurden. Daraus habe man jedoch Schlussfolgerungen zu Einsparpotenzialen bei den pharmazeutischen Unternehmen gezogen. Außer Acht geblieben seien Zwangsrabatte, Handelsmargen, Mehrwertsteuer und Wechselkurse; ebenso die ohnehin schwerlich bezifferbaren Einsparungen durch Rabattverträge. Während der AVR 2011 etwa errechnet hatte, dass die 50 umsatzstärksten patentgeschützten Arzneimittel in Deutschland im Schnitt 48 Prozent teurer seien als in Schweden, kommt der BPI nur auf ein Plus von 4,5 Prozent auf reiner Herstellerbasis (bei einem Zwangsrabatt von 16 Prozent). 

Der Appell des BPI an die Politik: Ihre Entscheidungen müssen evidenzbasiert sein. Auch mit wissenschaftlichem Anspruch vorgetragene Auswertungen bedürften einer kritischen Würdigung. Insbesondere dürfe man Arzneimittel nicht isoliert betrachten, betonte BPI-Vorstandsmitglied Dr. Martin Zentgraf. Schließlich tragen Medikamente oftmals dazu bei, dass in anderen Bereichen der Gesamtwirtschaft gespart wird. Politische Maßnahmen, die auf fragwürdigen Grundlagen basieren, bedrohten Unternehmen in ihrer Wirtschaftlichkeit, gefährdeten Arbeitsplätze und schränkten die Versorgungsqualität und -sicherheit in Deutschland ein, so Zentgraf.


Kirsten Sucker-Sket


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