Ärzte-Protest

Dreiviertel aller Kassenärzte für Praxisschließungen

Berlin - 13.09.2012, 14:57 Uhr


Ergebnis der bundesweiten Urabstimmung im Honorarstreit: Rund 75 Prozent aller Kassenärzte wollen ihre Praxen aus Protest schließen. Wie bei den Apothekern gibt es auch bei den Ärzten Kritik – vonseiten der Kassen und aus den eigenen Reihen.

Die enorme Beteiligung mache das „hohe Protestpotenzial der Ärzteschaft“ deutlich, erklärte Dr. Dirk Heinrich, Vorsitzender des NAV-Virchow-Bundes und Sprecher der Allianz von rund 30 ärztlichen Berufsverbänden. Man sei „kampfbereit“ und entschlossen, die Maßnahmen auszuweiten: Komme es bei den am Samstag anstehenden Verhandlungen mit den Krankenkassen zu keiner Einigung, „werden die Verbandsspitzen Anfang nächster Woche über Praxisschließungen noch in diesem Monat entscheiden“. Den Patienten droht damit, dass ein großer Teil der knapp 90.000 Arztpraxen zeitweise geschlossen bleibt.

In dieser Woche hatten Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und freie Verbände zu Aktionen in den Praxen gegen die Kassenbürokratie aufgerufen. Die Kassenärzte wollen sich damit gegen die von den Kassen geforderten Honorarkürzungen wehren – sie fordern eine Erhöhung ihrer Honorare. Der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes bat die Ärzteverbände indes „dringend“ darum, die Debatte nicht auf dem Rücken der Patienten auszutragen. „Kassenanfragen zu Arzneimittelverordnungen oder zu Rehabilitationsmaßnahmen nicht zu beantworten, geht genauso zu Lasten der Patienten, wie die Weigerung, Bonushefte von Versicherten abzustempeln“, so Florian Lanz.

Kritik an den geplanten Streiks gibt es auch aus den eigenen Reihen: Nach Ansicht des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte beschädigen die lautstarken Proteste und Streikandrohungen das Ansehen der Mediziner. Ein Ärztestreik sei „völlig unangemessen“, erklärter der Verbandsvorstand. Durch Praxisschließungen seien allein die Patienten die Leidtragenden und die Kassen sparten noch Honorare während der Streikzeit. Im Übrigen sei bemerkenswert, dass die Kassenärzte sich stets dagegen wehrten, als Angestellte der Krankenkassen betrachtet zu werden – denn Streik sei gerade ein Mittel von abhängig Beschäftigten mit ihrem Arbeitgeber.

Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) warnt „eindringlich“ vor der drohenden Eskalation im Honorarstreit. In den letzten Tagen hätten den Verband regelrechte „Angstwellen“ vieler Mitglieder erreicht, warnte der Verbandspräsident Adolf Bauer. Entgegnen der ersten Beteuerungen der Ärzte würden nun doch die Patienten in einen Streit hineingezogen. „Insbesondere kranke und ältere Menschen dürfen keinesfalls durch Versorgungsengpässe verunsichert werden.“

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Juliane Ziegler