Metoprolol-Rezepte

AOK schaltet Staatsanwaltschaft ein

Berlin - 19.08.2011, 11:54 Uhr


Die AOK will wegen der von Apotheken mit einer falschen PZN versehenen -Rezepte die Staatsanwaltschaft einschalten. Allein im Juni seien mehr als 30.000 Fälle bekannt geworden – und hierbei handele es sich möglicherweise nur um „die Spitze eines Eisberges“, sagte AOK-Sprecher Udo Barske. Die AOK prüfe derzeit, ob Apotheken auch bei weiteren Wirkstoffen entsprechend verfahren seien.

Bundesweit dürften mehrere tausend Apotheken Medikamente zulasten der AOK abgerechnet haben, die nachweislich nicht auf dem Markt waren, so die AOK. Dabei geht es um das Arzneimittel Metoprolol-Succinat des Herstellers Betapharm. Hierfür besteht seit 1. Juni ein Rabattvertrag mit der AOK – doch Betapharm kann das Medikament noch nicht liefern. Die AOK hatte dem Hersteller kurzfristig den Zuschlag für das Arzneimittel erteilt, wohl wissend, dass dieser den Wirkstoff bis dato gar nicht in seinem Sortiment hatte. Die Apotheken waren mithin gezwungen, AOK-Patienten ein anderes Präparat zu geben. Welches, das kann anhand der abgerechneten Rezepte nicht nachvollzogen werden. Denn diese wurden in vielen Fällen mit der PZN für das nicht lieferbare Betapharm-Produkt bedruckt und wurden auch entsprechend abgerechnet. „Die AOK prüft derzeit die Vorfälle und wird entsprechend die zuständigen Staatsanwaltschaften einschalten“, sagte Barske.

Auch wenn grundsätzlich keine akute Gesundheitsgefahr für Patienten bestehe, die ein anderes Präparat als das von Betapharm erhielten, verweist die AOK angesichts der nicht möglichen Rückverfolgbarkeit der Rezepte doch auf Risiken: „Kommt es zum Beispiel zu einem Arzneimittelrückruf – etwa aufgrund einer gefährlichen Verunreinigung oder Falschdosierung – wäre eine direkte Information der betroffenen Patienten schlichtweg nicht möglich“, so Barske. Die AOK betont, dass die Apotheken gesetzlich verpflichtet sind, auf dem Rezept die PZN des jeweils abgegebenen Medikamentes anzugeben. Bei den mit falscher PZN bedruckten Rezepten gehe es deshalb vorrangig nicht um die Frage des Abrechnungsbetruges, sondern vor allem um einen relevanten Verstoß gegen die Arzneimittelsicherheit.

Die AOK kann sich vorstellen, dass der Metoprolol-Fall keine Ausnahme ist: „Bei den bekannt gewordenen Fällen handelt es sich möglicherweise um die Spitze eines Eisberges“, sagte Barske. Derart falsch abgerechnete Arzneimittel fielen im Normalfall nicht auf. Der Stein ist vorliegend nur deshalb ins Rollen gekommen, weil das aufgedruckte Medikament nachweislich noch nie am Markt verfügbar war, der Hersteller aber trotzdem Rechnungen für den gesetzlich festgelegten Großhandelsrabatt erhalten hat.

AOK und Deutscher Apothekerverband versuchen nun schon seit einiger Zeit, eine Lösung zu finden – bislang erfolglos. Nun will die AOK offenbar andere Saiten aufziehen: „Es gibt keine Konstellation, in der eine Apotheke ein anderes Medikament abrechnen darf, als sie tatsächlich abgegeben hat“, betonte Barske. Gibt sie ein anderes Medikament ab, als sie eigentlich müsste, so müsse sie dies auf dem Rezept plausibel begründen. Angesichts der massiven Häufung allein bei dem einen Wirkstoff sei zu befürchten, dass eine Vielzahl von Apotheken hier „bewusst und systematisch“ vorgegangen ist. Der AOK-Sprecher: „Es liegt nahe, dass betroffene Apotheken daraus einen Nutzen – etwa durch günstigere Einkaufskonditionen oder einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen, korrekt abrechnenden Apotheken – ziehen. Das kann auch strafrechtliche Relevanz haben.“


Kirsten Sucker-Sket