Hauptgutachten 2008/2009

Monopolkommission für Apotheken-Ketten

Berlin - 14.07.2010, 12:27 Uhr


Die Monopolkommission hat heute ihr aktuelles Hauptgutachten vorgelegt. Darin befasst sich das Beratergremium unter anderem mit „Wettbewerbsdefiziten“ bei Apotheken. Davon ausgehend, dass diese bestehen, schlägt es vor, auch bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einen „sanften“ Preiswettbewerb zu ermöglichen und Apothekenketten zuzulassen.

In ihrem Gutachten mit dem Titel „Mehr Wettbewerb, wenig Ausnahmen“ beschäftigt sich die Monopolkommission erneut mit dem Apothekenmarkt. Bereits das vorletzte Hauptgutachten (2004/2005) hatte sich mit dem Wettbewerb zwischen Apotheken und der Regulierung des Einzelhandels mit Arzneimitteln befasst. Die seinerzeit vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen hat sie nun vor dem Hintergrund der Entwicklung in den vergangenen vier Jahren aktualisiert. Am Ende steht jedoch im Wesentlichen das Gleiche wie schon vor vier Jahren.

Zwar spricht sich die Monopolkommission „ganz bewusst“ nicht für eine vollständige Deregulierung des Einzelhandels mit Arzneimitteln aus. „Gewisse Besonderheiten“ gegenüber anderen Einzelhandelsmärkten kann sie durchaus ausmachen. Dennoch kommt sie zu dem Ergebnis, dass der Apotheker im Wesentlichen eine Einzelhandelstätigkeit ausführt. Zwar gebe es hier auch einen Wettbewerb – etwa hinsichtlich des Standortes – dieser sei jedoch weitgehend indirekt und sorge nicht dafür, dass der Kunde davon profitiere, sagte der Vorsitzende der Kommission, Justus Haucap. Damit es zu mehr Wettbewerb zum Vorteil der Kunden kommt, empfehlen die Regierungsberater einen „sanften“ Preiswettbewerb – auch bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Geschehen soll dies durch den Wegfall der vorgeschriebenen Zuzahlung bei gesetzlich versicherten Patienten sowie der heute geltenden Packungspauschale von 8,10 Euro (abzüglich 2,30 Euro GKV-Rabatt). Dafür soll es ein durch die Apotheke selbst in Grenzen festzulegendes Entgelt für die Dienstleistung der Apotheke geben. Um einen Anreiz zum Besuch einer günstigen Apotheke zu geben, sollte der Patient deshalb nicht an den Gesamtkosten des Arzneimittels, sondern lediglich an den Kosten der Apothekenleistung beteiligt werden.

Die Kommission plädiert trotz EuGH-Urteil und klarer politischer Bekenntnisse zudem weiterhin für eine Aufhebung des Fremdbesitzverbots. Aus ihrer Sicht sollte das Betreiben von Apotheken durch Kapitalgesellschaften ermöglicht werden. Vorübergehend sollte aber gleichzeitig die Fusionskontrolle bei Apotheken verschärft werden, um die Herausbildung regionaler Monopolstellungen zu verhindern. Ein Mehrbesitz von Apotheken sollte aus Sicht der Berater auch oberhalb der aktuellen Grenze von vier Apotheken zugelassen werden. Damit wäre eine Kapitalbeteiligung von Nichtapothekern an Apothekenbetrieben möglich und es könnten Apothekenketten von grundsätzlich nicht beschränkter Größe gebildet werden. Wenn „suggeriert“ werde, selbstständige Apotheker hätten – im Vergleich zu Apothekenketten – kein Profitinteresse, so sei der Monopolkommission „keine Evidenz dafür bekannt, dass Apotheker in geringerem Maße an wirtschaftlicher Prosperität und Wohlstand interessiert wären als andere Mitbürger“, heißt es im Gutachten. Zudem führe Profitstreben im Einzelhandel nicht automatisch zu Fehlverhalten – schon gar nicht, wenn Sanktionen drohen.

Ein weiterer Vorschlag betrifft die Apothekenräumlichkeiten: Aus Sicht der Kommission spricht nichts dagegen, Apotheken in andere Geschäfte zu integrieren. Apotheken könnten als räumlich unselbstständiger Teil eines Drogeriemarkts oder Kaufhauses betrieben werden. Rx- und besonders beratungsbedürftige Arzneimittel müssten allerdings auch hier über den Apothekentisch erfolgen - der Rest gehört für die Kommission allerdings ins Selbstbedienungsangebot.

Die Kommission hatte der Bundesregierung bereits vor vier Jahren ähnliche Reformvorschläge unterbreitet. Doch die Politik war von den Ideen nicht überzeugt. In ihrer Stellungnahme zum Gutachten hatte die damalige Bundesregierung der Großen Koalition ausgeführt, dass sie sich Reformüberlegungen für mehr Wirtschaftlichkeit bei den Gesundheitsausgaben nicht verschließe. Sie habe aber auch die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung und Sicherheit der Arzneimittelversorgung zu beachten. Deshalb sei bei allen Reformmaßnahmen zu überlegen, inwieweit diese durch Änderung der bisherigen Regulierungen gewährleistet bleiben. Es sei bedauerlich, dass die Monopolkommission ihre Vorschläge nicht in einen sozial- und gesundheitspolitischen Kontext eingebunden und diese Aspekte berücksichtigt habe, heißt es in der Stellungnahme. Zudem teilte die Bundesregierung nicht die Auffassung der Kommission, dass es sich bei der Tätigkeit der öffentlichen Apotheken im Wesentlichen um eine Tätigkeit des Einzelhandels handele. „Die dargestellten wettbewerblichen und ökonomischen Aspekte können nicht gegen die Anforderungen der Arzneimittelsicherheit und der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung aufgewogen werden. Insoweit wird der Arzneimittel- und Apothekenmarkt auch in Zukunft gewissen Regulierungen unterliegen“, so die Bundesregierung.

Ob die Monopolkommission mit ihrem aktuellen Gutachten auf mehr Zuspruch in der Kommission trifft, mag bezweifelt werden. An ihrer Argumentationsweise hat sie schließlich wenig geändert. Schon im Frühjahr hatte Haucap erklärt, dass es an „konkreten Signalen“ aus der Regierung fehle, im Apothekenmarkt im Sinne seines Gremiums Hand anzulegen.


Kirsten Sucker-Sket