„BfArM im Dialog“

Bundesinstitut startet Pilotprojekt für klinische Prüfungen

Remagen - 05.11.2015, 07:30 Uhr

BfArM-Präsident Karl Broich: Die Prüfbehörde will auf alles vorbereitet sein. (Foto: BfArM)

BfArM-Präsident Karl Broich: Die Prüfbehörde will auf alles vorbereitet sein. (Foto: BfArM)


Europa bereitet sich auf die Umsetzung der neuen Regeln zur Genehmigung klinischer Prüfungen vor. Eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Nicht nur die Prüfbehörden sind nervös.

Die neue Gesetzgebung zur Genehmigung klinischer Prüfungen (Verordnung (EU) Nr. 536/2014) wird das bisherige Verfahren deutlich verändern. Im Januar 2015 hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bereits ein Dialog-Symposium zur Umsetzung der Verordnung veranstaltet, Ende Oktober wurde der Dialog fortgesetzt und der aktuelle Stand diskutiert.

Wie geht das Verfahren?

In Zukunft wird es auch bei multizentrischen Studien nur noch einen Antrag pro Sponsor geben. Dieser muss bei einem noch zu schaffenden EU-Portal eingereicht werden. Ein Mitgliedstaat, genauer dessen Arzneimittelbehörde, soll das Verfahren jeweils als berichtender Mitgliedstaat (rMS) koordinieren und muss die anderen Mitgliedstaaten (cMS) umfassend beteiligen. Dabei muss auch immer eine Ethikkommission pro Land einbezogen werden. Wie dies im Einzelnen geschieht, können die Länder selbst regeln. Die abschließende jeweils national geltende Entscheidung fällt dann die Arzneimittelbehörde.

Schwierig: EU-Portal und Datenbank

Einer der dicksten Brocken, die es für die Funktion des neuen Systems zu stemmen gilt, ist die Einrichtung des Einreichungsportals und einer neuen EU-Datenbank. Die EMA hat deswegen gleich mehrere Arbeitsgruppen eingerichtet. Bis August 2016 soll eine Light-Version fertig sein, die dann auf ihre Funktionsfähigkeit hin auditiert werden soll.

Offenbar herrscht hier vielfach noch ein ungutes Gefühl. Wie Andreas Franken vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller erläuterte, macht die technische Realisierung zwar gute Fortschritte, aber viele Einzelprobleme sollen noch ungelöst und wichtige Komponenten, wie die Anbindung der Pharmakovigilanz-Datenbank und der nationalen Systeme zu klinischen Prüfungen, überhaupt noch nicht angegangen worden sein.

Auch das BfArM und das Bundesgesundheitsministerium geben sich skeptisch. „Ich glaube“, sagte BfArM-Präsident Karl Broich, „diese Datenbank macht Sie nervös, macht uns nervös.“ Lars Nickel vom BMG ergänzte: „Es nutzt uns nichts, wenn die EMA mit Hochdruck an einem Portal arbeitet, das dann am Ende nicht funktioniert.“

Üben am „lebenden Objekt“

Die deutschen Zulassungsbehörden legen sich jedenfalls für die Umsetzung mächtig ins Zeug. Auf Initiative des BfArM wurde im März 2015 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich um die erforderlichen IT-Einrichtungen für die Kommunikation zwischen den beteiligten Bundesoberbehörden und den Ethikkommissionen kümmern soll. Außerdem soll ein Pilotprojekt zur gemeinsamen Bearbeitung von Genehmigungsanträgen in Anlehnung an die neuen europäischen Vorgaben auf den Weg gebracht werden.

Derzeit nehmen außer dem BfArM und dem PEI 24 Ethikkommissionen aus Deutschland daran teil. Im Rahmen des Projektes soll eine überschaubare Anzahl von Anträgen sozusagen „am lebenden Objekt“ und nicht an „Dummies“ getestet werden. Trotz des rechtlichen „Zwitters“ zwischen den derzeit gültigen deutschen und den noch nicht anwendbaren europäischen Vorgaben soll am Ende eines solchen Verfahrens ein rechtssicherer Bescheid kommen.

Der Prozess sei so weit ausgereift, dass man zumindest starten könne, berichtete der für diesen Bereich im BfArM zuständige Abteilungsleiter Thomas Sudhop. „Wir warten auf Sie, wir scharren mit den Hufen.“ Zu den Einzelheiten verweis er auf die Webseite des BfArM. Dort finden Interessenten auch einen Leitfaden. Offiziell wurde das Pilotprojekt zum 1. Oktober 2015 gestartet. Einer der Haupt-Knackpunkte wird wohl die Einhaltung der neuen, kurzen Fristen für alle Beteiligten sein, die das Verfahren deutlich straffen sollen.

Durchführungsgesetz soll bald kommen

Wie bei der Dialog-Veranstaltung außerdem zu erfahren war, soll noch vor Ende 2015 der schon länger angekündigte Entwurf für die gesetzliche Implementierung der neuen Verfahren in die deutsche Gesetzgebung vorgelegt werden. Das Durchführungsgesetz wird unter anderem die Einbindung der Ethikkommissionen regeln. Es  soll schon im zweiten Quartal 2016 in Kraft treten, allerdings sind Übergangsvorschriften vorgesehen. Mit der praktischen Anwendung des neuen europäischen Verfahrens rechnen die Experten derzeit nicht vor Ende 2017.

Für das BfArM steht laut Auskunft von Nickel auf diesem Sektor einiges auf dem Spiel, denn die Spitzenposition Deutschlands bei den Antragszahlen für klinische Prüfungen in Europa soll nicht nur gehalten, sondern möglichst noch ausgebaut werden.


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