Neuer Mechanismus

Schlaue Toxine polen harmlose Proteine um

Remagen - 14.08.2015, 14:20 Uhr

Wissenschaftler haben einen neuen Toxizitätsmechanismus entdeckt. (Bild: zuki70/Fotlia)

Wissenschaftler haben einen neuen Toxizitätsmechanismus entdeckt. (Bild: zuki70/Fotlia)


Wissenschaftler von der Ohio State University (OSU) haben einen neuen Mechanismus entdeckt, mit dem Bakterien Toxine verwenden, um die Immunantwort zu unterbrechen. Ihre Studie, die in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht wurde, zeigt, dass das Toxin ACD (Actin Cross-linking Domain), das mit Cholera und anderen Krankheiten in Verbindung steht, das reichlich vorhandene Protein Aktin auf einem „trickreichen“ Weg in ein Sekundärtoxin umwandelt und die Immunzellen dadurch wirkungslos macht.

„Es scheint, dass dieses Toxin einige der modernsten Schlachtstrategien verfolgt, lange bevor sie von den Menschen erfunden wurden“, erläutert Dr. Dmitri Kudryashov, Assistant Professor für Chemie und Biochemie an der OSU und Leit-Autor der Studie, auf der Webseite einer Universität. „Es erkennt, dass man, um einen Krieg zu gewinnen, nicht alle Soldaten zu töten braucht. Man braucht nur einen Spion zu schicken, der ein paar Soldaten rekrutiert, die dann ihre eigene Armee verraten und sie neutralisieren.“

In diesem Fall sind die Soldaten das Protein Aktin, das in Hülle und Fülle von fast allen menschlichen Zellen produziert wird und ein wichtiger Akteur bei der Reaktion der Immunzellen auf eine Infektionskrankheit ist. Ein Toxin, das für seine besondere Affinität zu Aktin bekannt ist, ist ACD (Aktin Vernetzungsdomäne). Es wird von verschiedenen Bakterien freigesetzt, einschließlich derer, die zu lebensbedrohlichen Krankheiten führen, wie Cholera (Vibrio cholera), Blutvergiftung oder Gastroenteritis durch den Verzehr von infizierten rohen Austern (Vibrio vulnificus) und Magen-Krankheiten, die Menschen mit einem geschwächten Immunsystem bedrohen (Aeromonas hydrophila).

Die „Spion“-Strategie

Bisherige Untersuchungen hatten gezeigt, dass ACD Aktin-Moleküle in einer Weise verkettet, die deren normale Funktion einschränkt. Allerdings sollte hierfür eine signifikante Menge des Toxins erforderlich sein. An Kulturen von Darmschleimhaut-Zellen stellten die Wissenschaftler nun fest, dass das Toxin die Zellen vergiftete, obwohl nur geringe Aktin-Mengen hiervon betroffen waren, und fanden die folgende Erklärung für diesen erstaunlichen Befund:

Die Fähigkeit der Immunzellen, Bakterien zu jagen und zu essen, beruht auf der schnellen Montage und Demontage von Aktin-Molekülen zu Strängen (Filamenten). ACD verbindet die einzelnen Moleküle jedoch zu irregulären Clustern, mit denen keine Aktin-Stränge gebildet werden können. An dieser Stelle kommt aber noch ein anderes Target ins Spiel, das Protein Formin, das die Aktin-Filamente zusammenbaut. Die durch ACD gebildeten Aktin-Oligomere binden sehr viel enger an Formin als ein einzelnes Aktin-Molekül und blockieren damit dessen die Aktivität.

Auf diese Weise benutzt ACD demnach das häufig vorkommende zellulare Protein Aktin dazu, selbst ein sekundäres Toxin zu produzieren, das die Zellfunktionen von Aktin effizient untergräbt. Die Forscher bestätigten den Effekt von ACD auf Formin in einer Vielzahl von Experimenten. Dabei „vergifteten“ sehr niedrige Konzentrationen des Toxins das Formin sehr effizient. Dies beweist nach ihrer Einschätzung einen völlig neuen Toxizitätsmechanismus.

Heisler DB et al..Actin-directed Toxin. ACD toxin-produced actin oligomers poison formin-controlled actin polymerization. Science. 2015 Jul 31;349(6247):535-9. doi: 10.1126/science.aab4090.


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