Hahnemanns Arzneimittellehre

Homöopathin will Patienten nicht betrügen...

Heidelberg - 24.07.2015, 09:50 Uhr

Ärztin und Ex-Homöopathin Natalie Grams steht den homöopathischen Arzneianwendungen kritisch gegenüber. Dem homöopathischen Setting allerdings kann sie bei aller Kritik einiges abgewinnen. (Foto: Zeitschrift "Stern", DAZ/diz)

Ärztin und Ex-Homöopathin Natalie Grams steht den homöopathischen Arzneianwendungen kritisch gegenüber. Dem homöopathischen Setting allerdings kann sie bei aller Kritik einiges abgewinnen. (Foto: Zeitschrift "Stern", DAZ/diz)


Die Heidelberger Ärztin und Homöopathin Natalie Grams behandelte ihre Patienten jahrelang homöopathisch. Jetzt bekam sie Gewissensbisse und gab ihre Praxis auf — obwohl ihre Patienten sie in einem Ärztebewertungsportal mit sehr gut einstuften. In einem Interview mit dem „Stern“ wirft sie sich vor, nicht kritisch genug gegenüber dieser Heilmethode gewesen zu sein. Heute hat sie den homöopathischen Arzneianwendungen abgeschworen.

Ihr Hauptkritikpunkt gegenüber der Homöopathie sind die Arzneimittelprüfungen, die nach ihrer Auffassung mit Naturwissenschaft nichts zu tun haben: „Nachdem ich jetzt erfahren habe, wie willkürlich diese Prüfungen ablaufen, war ich wirklich geschockt. Es gibt keinerlei Richtlinien“, so die Ex-Homöopathin.

Man sollte, so Grams, die Homöopathie eher aus der Zeit betrachten, in der sie von Hahnemann entwickelt wurde. Im späten 18. Jahrhundert haben viele noch an die Signaturenlehre geglaubt, man setzte Bohnen gegen Nierenleiden ein und Walnüsse gegen Gehirnkrankheiten. Aber die Medizin ist seither fortgeschritten, so die Ärztin im Stern-Interview. Angesichts der Aberglauben und sonstigen lebensgefährlichen Therapien, die man damals anwandte, sei die Homöopathie damals das kleinere Übel gewesen. Grams: „Auch wenn sich jetzt viele aufregen werden, aber Homöopathie und Religion haben einiges gemeinsam.“ 

Warum die Homöopathie dennoch erfolgreich sei, führt die Ärztin auf das gesamte therapeutische Setting zurück. „Das beginnt schon im homöopathischen Erstgespräch, das ein bis drei Stunden dauert. Der Patient fühlt sich in seiner Gesamtheit wahrgenommen und nicht auf seine Symptome reduziert.“ Aber dieses therapeutische Setting habe man bisher in keiner Studie richtig erfasst, „es ging nur um die Frage, ob die Globuli besser wirken als ein Placebo, in dem nichts drin ist. Da aber auch in den Globuli nichts drin ist, kann es ja gar keinen Unterschied zwischen den beiden untersuchten Gruppen geben“.  

Wäre die Homöopathie erfolgreicher als Placebos, wenn man die Studien so ansetzen würde, dass man das Setting mit einschließt? Grams: Das ist gut möglich. Denn Placebos wirken ja besser, je mehr der Patient glaubt: ‚Das wird mir helfen, das wird mich heilen…‘“  

Aber, so fragt der „Stern“, ist „die Homöopathie nicht vielleicht die raffinierteste Methode, den ohne Frage heilsamen Placeboeffekt zu nutzen?“ Ein Punkt, mit dem sich die Ex-Homöopathin schwertut. Sie meint: „Wir müssen lernen, das Gute an der Homöopathie in die Medizin des 21. Jahrhunderts zu integrieren.“ Allerdings, so fügt sie hinzu, wenn es die Homöopathie heute nicht gäbe, wäre es keine Lösung, sie zu erfinden: „Denn damit würde man den Glauben an Magie stärken. Der Schritt hin zu gefährlichen Scharlatan-Methoden … wäre nur noch sehr kurz.“ 

In ihrem Buch „Homöopathie neu gedacht“ betrachtet Grams die Homöopathie von verschiedenen Seiten und versucht, die Argumente der Gegner und Befürworter gegeneinander abzuwägen. Hahnemann habe den Weg frei gemacht für die verblüffenden Selbstheilungskräfte eines durch Zuwendung und Fürsorge motivierten Patienten – Effekte, die in der Psychosomatik angesiedelt seien. Mit der Psychosomoatik hofft Grams nun, Antworten auf die offenen Fragen zu finden. Die Arzneimittellehre der Homöopathie hält sie dagegen für unhaltbar.


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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