Arzneimittelzulassung

Patienten dürfen ein Wörtchen mitreden

Remagen - 02.10.2014, 16:04 Uhr


Die Europäische Arzneimittel-Agentur hat ein Pilotprojekt gestartet, um Patienten bei der Nutzen-Risiko-Bewertung von Arzneimitteln im zentralen Zulassungsverfahren mit einzubeziehen. Zuständig für diese Beurteilung ist der Ausschuss für Humanarzneimittel. Und genau dort sollen sie auch gehört werden.

Im Rahmen des Projektes sollen Patienten allerdings bis auf Weiteres nur dann dazu geladen werden, wenn es um Medikamente mit einem ungedeckten medizinischen Bedarf geht und wenn der Ausschuss noch Bedenken oder Zweifel hat. Außerdem sollen sie gefragt werden können, wenn der CHMP prüft, ob eine Zulassung zurückgenommen, ausgesetzt, widerrufen oder wenn eine Indikationseinschränkung empfohlen werden soll. 

Zum ersten Mal durften sich Betroffene bei der September-Sitzung des CHMP zu Wort melden, und zwar zu dem Wirkstoff Afamelanotid. Er wird für die Behandlung der erythropoetischen Protoporphyrie (EPP) eingesetzt, einer seltenen genetischen Blutkrankheit, die eine absolute Lichtunverträglichkeit verursacht. Es gibt derzeit keine zugelassenen Arzneimittel für die Behandlung. Zwei Patienten mit EPP schilderten ihre Erfahrungen mit der Erkrankung und beantworteten konkrete Fragen des Ausschusses. Ihre Eingaben werden vom CHMP im Rahmen seiner Beurteilung von Afamelanotid berücksichtigt.

„Da die Patienten tagtäglich mit ihrer Krankheit leben, kann sich ihre Sichtweise in Bezug auf die therapeutische Wirkung eines Arzneimittels und dessen Auswirkungen auf ihre Lebensqualität, abgewogen gegen die Risiken, durchaus von anderen Beteiligten unterscheiden“, erläuterte der geschäftsführende Direktor der EMA, Guido Rasi. „Ihre Anhörung im Rahmen der Diskussionen im CHMP bringt die Stimme der Patienten in den Entscheidungsprozess ein und leistet damit einen Beitrag zur sicheren und rationalen Anwendung von Arzneimitteln.“

Das Pilotprojekt soll für mindestens ein Jahr laufen. Patientenvertreter sind bereits an vielen anderen Aktivitäten der EMA regelmäßig beteiligt. Sie stellen zum Beispiel Vollmitglieder im Pharmakovigilanz-Ausschuss (PRAC) sowie in den Ausschüssen für Kinderarzneimittel (PDCO), für neuartige Therapien (CAT) und für Arzneimittel für seltene Leiden (COMP).


Dr. Helga Blasius