Biosimilars

Die Ruhe vor dem Sturm?

Remagen - 07.07.2014, 09:00 Uhr


Biopharmazeutika gehören heute bei zahlreichen schweren Erkrankungen zum unverzichtbaren Handwerkzeug der modernen Medizin. Da sie teurer sind als kleinmolekulare Arzneimittel, sind Nachahmer-Produkte für die Krankenkassen besonders attraktiv. Bisher verhalten die Länder sich in der Frage der Substitution zögerlich. Zur Aufklärung und um mehr Vertrauen in diese sensible Arzneimittelgruppe zu schaffen, hat eine Projektgruppe bei der Europäischen Kommission ein Dokument mit dem Titel „Marktzugang und Gebrauch von Biosimilars“ herausgegeben.

Aus dem Dokument geht hervor, dass bislang kein Land explizit die Substitution von biologischen Produkten unterschiedlicher Hersteller zugelassen hat. Zahlreiche EU-Mitgliedstaaten hätten rechtliche, regulatorische und politische Bestimmungen erlassen, um diese Praxis zu verhindern, so heißt es. Hierfür gibt es durchaus Gründe:

Biopharmazeutika umfassen Proteine wie Hormone, Enzyme, die im menschlichen Körper auf natürliche Art und Weise erzeugt werden, oder monoklonale Antikörper, aber auch Blutprodukte, immunologische Arzneimittel und fortschrittliche Technologieprodukte wie Gen- und Zelltherapieprodukte. Sie werden in der Regel in einem komplexen Herstellungsverfahren in lebenden Systemen wie Mikroorganismen oder tierischen Zellen hergestellt. Die Verfahren sind sehr sensibel und erfordern einen extrem hohen Kontrollaufwand. Und so unterliegen die exakten Eigenschaften dieser Moleküle einer gewissen naturgegebenen Variabilität, die allerdings durch klare Grenzwerte eingeschränkt wird. Es gilt: Biosimilars sind keine „normalen“ Generika.

Die Marktdurchdringung von Biosimilars in der EU ist bislang noch recht gering. Das Dokument beruft sich hierbei auf eine IMS-Studie aus dem Jahr 2011, nach der rekombinante biologische Arzneimittel in dem Jahreszeitraum bis zum 2. Quartal 2011 18 Prozent der EU-Gesamt-Pharmaumsätze ausmachten. Der Anteil der Nachahmer wird mit rund 10 Prozent des „zugänglichen Marktes” beziffert. Allerdings zeigt das Segment rasante Zuwächse.

In Deutschland ist der GKV-Umsatz für Biopharmazeutika nach Marktdaten von Pro Generika im Jahr 2013 auf Ebene der Apothekenverkaufspreise auf einen Wert von 5,3 Milliarden Euro angewachsen. Bei den Patentabläufen prognostiziert der Verband einen Paradigmenwechsel: Während in 2014 Präparate mit einem Gesamtumsatz in Höhe von lediglich 117 Millionen Euro (Herstellerabgabepreise) patentfrei werden, soll sich der Wert in 2015 auf 1,17 Milliarden Euro verzehnfachen. Bis 2018 laufen viele weitere umsatzstarke Biopharmazeutika aus dem Patent aus. Dann, so vermutet Pro Generika, wird sich das Fenster für Biosimilars und den Wettbewerb endgültig öffnen.

Hier können Sie das Konsensinformationsdokument „Was Sie über Biosimilar-Arzneimittel wissen sollten“ als pdf-Dokument herunterladen.


Dr. Helga Blasius


Das könnte Sie auch interessieren

Zwischen Erkenntnis und Ignoranz

Das Krebsarzneimittel-Paradoxon

Pro Generika warnt: Zu niedrige Erlöse führen zu Lieferengpässen

Riskanter Preisdruck

Arzneiverordnungs-Report 2018

Was tun gegen Hochpreiser?

Marktzugang für Biosimilars

Pro Generika plädiert für "Stunde Null"

Der Patentablauf vieler Biopharmazeutika steht an – über die Folgen scheiden sich die Geister

(K)ein Garant für Kostensenkungen?

Pro Generika fordert besseren Marktzugang für Bio-Nachahmerprodukte

Stunde null bei Biosimilars?