Kommentar

Schon wieder der Antihistaminika-haltige Hustensaft

18.06.2013, 17:15 Uhr


Erinnern Sie sich? Im November vergangenen Jahres machte der Sachverständige für Arzneimittelsicherheit der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Prof. Dr. Hannsjög Seyberth, Schlagzeilen mit der Warnung vor Antihistaminika-haltigen Hustensäften bei Kindern.

In einer Pressemitteilung erklärte er: "Diese Antihistaminika-Generation - sie taucht in der Zusammensetzung z. B. als Doxylamin, Diphenhydramin, Dimenhydrinat (Diphenhydramintheophyllinat), Promethazin auf - ist längst überholt! In der Allergiebehandlung oder aber auch in Medikamenten für Erwachsene wurden sie schon vor geraumer Zeit durch neue, nichtsedierende H1-Rezeptor-Antagonisten ersetzt. Kinder-Hustensäfte hingegen bleiben trotz der negativen Daten unverändert“.
Der Aufschrei unter den Apothekerinnen und Apothekern war groß und auch das BfArM stellte klar: Antihistaminika-haltige Hustensäfte für Kinder sind in Deutschland nicht zugelassen. Professor Seyberth bemühte sich im Gespräch mit der DAZ um Schadensbegrenzung und verwies darauf, dass cough and could medicines gemeint seien und damit Präparate gegen Erkältungsbeschwerden und Reizhusten, die trotz fehlender Zulassung aufgrund der Werbung gerne auch Kindern und Kleinkindern gegeben würden. Damit hätte dieses peinliche Missverständnis aus der Welt sein können.

Doch weit gefehlt: Wer heute auf Spiegel-online schaut, wird durch folgende Meldung aufgeschreckt:
"Antihistaminika: Lebensgefahr durch Kinder-Hustensaft"
Und wieder wird dort Professor Seyberth zitiert, der eine Rezeptpflicht für die älteren Antihistaminika fordert, weil diese Medikamente für Kleinkinder große Risiken bergen würden.
Als Beleg dafür wird folgender Fall geschildert: Eine Mutter gibt ihrer kleinen zweijährigen Tochter gegen Übelkeit (nicht gegen Hustenreiz!) ein Antihistaminikum der ersten Generation: abends, morgens, wieder abends – und dann war das Mädchen tot.
Beispielhaft werden folgende Präparate genannt, die dringend der Rezeptpflicht unterstellt werden sollten: Vomex A, Vivinox, Wick MediNait. Für Kleinkinder zugelassen und rezeptfrei erhältlich ist von diesen drei Vertretern nur Vomex A zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen. Und unbenommen: aus Unkenntnis überdosiert bergen solche älteren Antihistaminika auch bei Übelkeit und Erbrechen eine Gefahr. Nicht zuletzt deshalb, weil das zuvor unruhige Kind nach der Gabe ruhiger wird und einschläft. Da greift man gerne zu einem zweiten Zäpfchen oder einem weiteren Löffel Saft, wenn die Wirkung nachlässt. Gefahren lauern selbstverständlich auch, wenn der gesunde Erkältungssaft mit Honig, in dem ebenfalls ein solches älteres Antihistaminikum enthalten ist, Kindern oder gar Kleinkindern gegeben wird.
Doch warum nach den Irritationen im November jetzt schon wieder der rezeptfreie Antihistaminika-haltige Hustensaft am Pranger steht und nicht der rezeptfreie Saft oder die Zäpfchen gegen Übelkeit und Erbrechen, die sich wahrscheinlich in fast jeder Hausapotheke von Eltern mit Kindern finden und oft in Unkenntnis der Dosierungsproblematik verabreicht werden, erschließt sich nicht.


Zum Weiterlesen:

Antihistaminika-Alarm - Hustensäfte und die Gefährdung von Kleinkindern. DAZ 2012; Nr. 46 S. 60 ff.

Doris Uhl: Ein besonderes Anliegen. DAZ 2012; Nr. 46, S. 3


Dr. Doris Uhl


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