Substitutionstherapie bei Opiatabhängigkeit

Diacetylmorphin erfolgreicher als Methadon

28.01.2010, 07:00 Uhr


Das 2008 abgeschlossene bundesweite Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Schwerstopiatabhängiger hatte eine Überlegenheit der Behandlung mit Diacetylmorphin (Diamorphin) gegenüber einer Methadonbehandlung

Die randomisierte, kontrollierte Phase-III-Studie schloss heroinabhängige Patienten ein, bei denen zuvor mindestens zwei Versuche zur Behandlung der Abhängigkeit (davon mindestens einer mit Methadon) fehlgeschlagen waren. 111 Teilnehmer wurden auf eine orale Methadonbehandlung, 115 auf eine intravenöse Diamorphin-Behandlung randomisiert. Die Studienteilnehmer waren mindestens 25 Jahre alt und seit mindestens fünf Jahren abhängig. Die Maximaldosis Diamorphin betrug 1000 mg, ein Umstieg auf eine Methadon-Substitutionsbehandlung war jederzeit möglich. Alle Teilnehmer  wurden umfassend ärztlich und psychosozial betreut. Nach zwölf Monaten wurden als primäre Endpunkte der Verbleib in der Substitutionsbehandlung bzw. Drogenfreiheit sowie eine Reduktion des Beikonsums illegaler Drogen oder anderer rechtswidriger Aktivitäten bestimmt.

Bei 95% der Teilnehmer konnten die primären Endpunkte bestimmt werden. In der Diamorphingruppe lag der Anteil der Patienten, die in der Substitutionsbehandlung verblieben, bei 88%, verglichen mit 54% in der Methadongruppe. Die Reduktion des Beikonsums illegaler Drogen bzw. illegaler Aktivitäten betrug in der Diamorphingruppe 67%, in der Methadongruppe 48%. Die häufigsten schweren Nebenwirkungen in der Diamorphingruppe waren Überdosierungen (bei zehn Patienten) und Krampfanfälle (bei sechs Patienten). Wegen der konsequenten medizinischen Betreuung konnten diese Nebenwirkungen sofort behandelt werden und die Studienteilnehmer überlebten.

Die Autoren schlussfolgerten aus diesen Erfahrungen, dass Diamorphin zur Substitutionsbehandlung stets in einem Umfeld verabreicht werden sollte, wo schnelle medizinische Hilfe erreichbar ist. Trotz der Überlegenheit von Diamorphin wurden in der Studie auch unter Methadon hohe Response-Raten und ein hoher Anteil von Teilnehmern, die die Behandlung zu Ende führten, beobachtet. Daher empfehlen die Autoren weiterhin Methadon als Mittel der Wahl für die Substitution von Opiatabhängigen. Lediglich solchen Patienten, die davon nicht profitieren, sollte Diamorphin unter ärztlicher Kontrolle verabreicht werden können.

Die Autoren verweisen darauf, dass ihre Ergebnisse konsistent sind mit Untersuchungen ähnlicher Art in Europa. Die Konsequenzen, die in Europa daraus gezogen werden, sind jedoch unterschiedlich: in der Schweiz und den Niederlanden wird Diamorphin Schwerstopiatabhängigen bereits verschrieben, andere Länder, z. B. Spanien, zögern noch. In Deutschland wurde im Mai 2009 ein Gesetz beschlossen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine die Verschreibung von Diamorphin im Rahmen einer Substitutionsbehandlung Schwerstopiatabhängiger schafft.

Quelle: Oviedo-Joekes, E. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 361: 777-786


Dr. Claudia Bruhn