Neues Immunsuppressivum

Fingolimod vermindert Schübe bei multipler Sklerose

Basel - 26.01.2010, 08:00 Uhr


In zwei klinischen Studien der Phase III mit Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose verringerte sich durch den neuen oralen Arzneistoff Fingolimod die Schubhäufigkeit um bis zu 60%

In zwei klinischen Studien der Phase III mit Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose verringerte sich durch den neuen oralen Arzneistoff Fingolimod die Schubhäufigkeit um bis zu 60% im Vergleich zu Placebo und um bis zu 52% im Vergleich zu einer Interferontherapie. Der Hersteller Novartis hat bereits in Europa, den USA und in der Schweiz Antrag auf Zulassung gestellt.

Fingolimod ist ein neuer oraler Arzneistoff zur Therapie von schubförmig verlaufender multipler Sklerose, dessen Wirkung auf einem neuartigen Prinzip beruht: Fingolimod verhindert, dass potenziell schädliche Immunzellen aus den Lymphknoten in die Blutbahn gelangen. Dadurch können diese nicht zur Entstehung von Entzündungen im zentralen Nervensystem beitragen, die für einen Großteil der Krankheitserscheinungen bei multipler Sklerose verantwortlich gemacht werden. Zudem zeigen Untersuchungen, dass der Arzneistoff auch direkt mit Zellen des zentralen Nervensystems reagiert, wo er eine schützende Wirkung entfalten und teilweise die Wiederherstellung von Gewebe fördern kann.

Die beiden aktuellen Studien belegen eine überlegene Wirksamkeit des neuen Präparats, das als Tablette eingenommen werden kann.

Die Basler Forscher um den Neurologen Professor Ludwig Kappos konnten in einer zweijährigen klinischen Studie mit 1272 Patienten zeigen, dass sich durch die Therapie mit Fingolimod die Schubhäufigkeit bei schubförmiger multipler Sklerose um 54 bis 60% im Vergleich zu Placebo vermindert. Auch eine Verschlechterung der mit der multiplen Sklerose verbundenen Behinderung konnte mit beiden getesteten Dosierungen von Fingolimod um rund 30% während der zweijährigen Studie signifikant vermindert werden. Weiter konnten die Forscher mittels Magnetresonanztomographie zeigen, dass sich die Zahl der entzündlichen Herde deutlich verringerte und sich der Abbau von Hirngewebe (Atrophieentwicklung) signifikant verzögerte.

Die Häufigkeit der Nebenwirkungen war unter beiden Fingolimod-Dosierungen auf dem gleichen Niveau wie unter Placebo. Die Anzahl schwerer Nebenwirkungen mit der gleich wirksamen, niedrigeren Fingolimod-Dosis war sogar geringer als beim Scheinmedikament. Im Vergleich dazu ebenfalls nicht generell erhöht waren Nebenwirkungen wie Infektionen und bösartige Tumore, die bei Medikamenten gefürchtet sind, welche das das Immunsystem beeinflussen.

In einer zweiten Studie mit 1292 Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose wurde Fingolimod während eines Jahres einer etablierten Therapie mit Beta-Interferonen gegenübergestellt. Hier zeigte sich, dass die Häufigkeit von Schüben gegenüber der Interferon-Kontrollgruppe signifikant um 38 bis 52% nachließ; zudem verminderten sich die entzündlichen Zeichen und die Entwicklung von Atrophie. In dieser einjährigen Studie ergab sich kein Unterschied zwischen den Präparaten hinsichtlich der Verschlechterung der Behinderung. Die Verträglichkeit von Fingolimod war auch im Vergleich mit Interferon insgesamt gut.

Quelle: Kappos, L., et al.: N. Engl. J. Med. 2010, Online-Publikation: doi: 10.1056/nejmoa; Cohen, JA., et al: N. Engl. J. Med. 2010, Online-Publikation: doi: 10.1056/nejmoa0907839.


Dr. Bettina Hellwig