Neu zugelassen

Amifampridin gegen Muskelschwäche

16.01.2010, 07:00 Uhr


Die Europäische Kommission hat Amifampridin für die Behandlung von Patienten mit Lambert-Eaton-myasthenischem Syndrom (LEMS) zugelassen. Amifampridin verbessert die Acetylcholinfreisetzung an den Synapsen

LEMS gehört in die Gruppe der paraneoplastischen Syndrome (PNS), das sind neurologische Erkrankungen, die mit für das jeweilige Syndrom typischen Tumoren einhergehen. LEMS ist eine seltene Autoimmunerkrankung der neuromuskulären Endplatte. Das Hauptsymptom ist eine ausgeprägte Muskelschwäche. Die Krankheit entsteht in der Regel in Zusammenhang mit einem Tumor, meistens mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom, und kann schon auftreten, bevor der Tumor bekannt ist.

Die Inzidenz des Lambert-Eaton-Syndromes beträgt 1:100.000, Männer sind zwei- bis fünfmal so häufig betroffen wie Frauen. Da gegenwärtig Frauen zunehmend häufiger an Lungenkrebs erkranken, steigt auch der Frauenanteil beim Lambert-Eaton-Syndrom. In der EU sollen 2000 bis 5000 Patienten von der Erkrankung betroffen sein.

Typisch ist eine beinbetonte Muskelschwäche, insbesondere der Oberschenkel, welche sich vor allem beim Treppensteigen äußert, sich aber bessert, je mehr Treppenstufen erstiegen werden. Bei Willkürbewegungen kann eine maximale Kraft erst nach einigen Sekunden entwickelt werden, bei fortgeschrittener Kraftanstrengung kommt es zur Ermüdung der betreffenden Muskulatur.

Die Erkrankung entsteht durch eine gestörte Signalübertragung zwischen Nerv und Muskel, weil der Körper Antikörper gegen präsynaptische Calciumkanäle bildet. Dadurch wird die Ausschüttung des Neurotransmitters Acetylcholin behindert, und Nervreize lediglich geschwächt vom Nerv auf die Muskelzelle übertragen; der Muskel reagiert träge. Hält der Nervreiz längere Zeit an, sammelt sich Acetylcholin im synaptischen Spalt, und die Muskelkraft nimmt bis zum gewohnten Maß zu (Lambert-Zeichen).

Amifampridin (3,4-Diaminopyridin) ist beim Lambert-Eaton-Syndrom Mittel der ersten Wahl. Es verbessert die Acetylcholinfreisetzung an den Synapsen. In Deutschland sind derzeit keine Fertigarzneimittel mit diesem Stoff zugelassen; er wird nur im Rahmen einer Individualrezeptur auf ärztliche Verordnung und nach den Angaben im Neuen Rezeptur-Formularium (NRF) verarbeitet. Dort werden als Indikationen neben dem Lambert-Eaton-Syndrom weitere myasthenische Syndrome genannt, außerdem postsynaptisch bedingte Störungen, multiple Sklerose, spinale Läsionen, Augenmotilitätsstörungen, Vergiftungen mit Calciumkanalblockern und Botulismus. Als unerwünschte Wirkungen sind unter anderem Parästhesien, Angstzustände und Krampfanfälle beschrieben, weshalb es bei Epilepsie kontraindiziert ist.

Die Firma BioMarin Pharmaceuticals will Amifampridin, das aufgrund seines Orphan-Drug-Status für zehn Jahre patentgeschützt ist, voraussichtlich Mitte März 2010 unter dem Handelsnamen Zenas® einführen.

Quelle: ABDATA-Meldung, 7. Januar 2010.


Dr. Bettina Hellwig