Bundesgerichtshof

Kein Werbeverbot für Weihrauch-Kapseln

Berlin - 11.07.2017, 16:45 Uhr

Apotheken dürfen Weihrauch-Kapseln als Defektur-Arzneimittel ohne Zulassung herstellen. (Foto: www.weihrauch-apotheke.de)

Apotheken dürfen Weihrauch-Kapseln als Defektur-Arzneimittel ohne Zulassung herstellen. (Foto: www.weihrauch-apotheke.de)


Ein Apotheker, der Weihrauch-Kapseln im Defekturmaßstab herstellt, darf für diese auch werben. Allein, dass diese Arzneimittel nicht zugelassen sind – schlicht weil sie als Defekturarzneimittel keiner Zulassung bedürfen – begründet kein Werbeverbot im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden, nachdem er in dieser Sache zuvor den Europäischen Gerichtshof angerufen hatte.

Der langjährige Rechtsstreit zwischen dem Apotheker Winfried Ertelt und der Firma Hecht-Pharma um die Zulassungspflicht von Weihrauch-Kapseln ist beendet. Der Bundesgerichtshof hat in der Revision bestätigt, dass die Vorinstanzen die Klage des Unternehmens gegen den Apotheker zu Recht zurückgewiesen hatten.

Die Firma Hecht Pharma, die Weihrauch-Kapseln als Nahrungsergänzungsmittel vertreibt, wollte Ertelt verbieten lassen, für seine selbst hergestellten Weihrauch-Kapseln zu werben. Der Apotheker vertreibt diese Kapseln als Arzneimittel. Zur Begründung führte Hecht Pharma an, dass Ertelt keine Zulassung für seine Kapseln besitze. Und für nicht zugelassene Arzneimittel, die der Zulassungspflicht unterliegen, dürfe nach § 3a Heilmittelwerbegesetz nicht geworben werden. Dass Defekturarzneimittel nach dem deutschen Arzneimittelrecht keiner Zulassung bedürfen, stehe nicht im Einklang mit dem Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (EU-Richtlinie 2001/83), der eine generelle Zulassungspflicht für Arzneimittel vorsehe.

Vorlagefrage an den Europäischen Gerichtshof

Nachdem die ersten beiden Instanzen die Klage bereits weitgehend abgewiesen hatten, befasste sich der Bundesgerichtshof mit der Rechtsfrage. Er entschied, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorzulegen, ob die in § 21 Abs. 2 Nr. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) für Defekturarzneimittel geregelte Ausnahme von der generellen Zulassungspflicht mit dem Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel vereinbar ist. Der EuGH bejahte dies im Oktober 2016.

Sodann musste sich der Bundesgerichtshof abschließend mit dem Fall beschäftigen. Das tat er bereits im Februar – nun liegen die Gründe seiner Entscheidung vor. Wenig überraschend kam er zu dem Ergebnis: Das Werbeverbot des § 3a HWG gilt nicht für ein Arzneimittel, das gemäß der Defekturregelung im Arzneimittelgesetz in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefähigen Packungen am Tag und im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt wird.

Für Ertelt bedeutet dies: Er braucht weiterhin keine arzneimittelrechtliche Zulassung für seine Weihrauch-Kapseln, solange die Herstellung im Defekturmaßstab in der Apotheke stattfindet.  

Schon im Oktober hatte auch der Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) die EuGH-Entscheidung begrüßt: Die Defektur sei damit als wesentlicher Bestandteil des üblichen Apothekenbetriebes gestärkt worden, erklärte LAV- Geschäftsführerin und Rechtsanwältin Ina Hofferberth. Wären Defekturen zulassungspflichtig geworden, hätte das ihr Aus in den Vor-Ort-Apotheken bedeuten können.

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Februar 2017, Az.: I ZR 130/13


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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