Astellas zu den Engpässen

„Vesikur wird ins Ausland verkauft – von Apothekern“ 

Stuttgart - 22.02.2017, 10:05 Uhr

Apotheker ärgern sich: Vesikur ist derzeit nur schwer zu bekommen. Der Hersteller Astellas erklärt warum. (Foto: Astellas) 

Apotheker ärgern sich: Vesikur ist derzeit nur schwer zu bekommen. Der Hersteller Astellas erklärt warum. (Foto: Astellas) 


Das Urospasmolytikum Vesikur ist derzeit über den pharmazeutischen Großhandel schwierig zu bekommen. Astellas vertreibt direkt – sehr zum Leidwesen der Apotheker, für die das mehr Aufwand bedeutet. Warum umgeht die Firma den bewährten Vertriebsweg? Der Hersteller nimmt Stellung dazu. 

Vor Kurzem erreichte ein Schreiben der Firma Astellas die Apotheker. Darin heißt es, dass es aufgrund der gestiegenen Nachfrage seit der letzten Festbetragsanpassung derzeit Engpässe beim Vertrieb des Urospasmolytikums Vesikur über den Großhandel gebe. Um die Patienten im Notfall  zu versorgen, verschicke man aber direkt an Apotheken. Allerdings nur kontingentiert, bestellt werden muss per Fax. Die Apotheker sind verärgert. Wieder ein Hersteller, der den Großhandel übergeht und direkt vertreibt. Und noch nicht einmal über die zwar ungeliebte, aber mittlerweile zähneknirschend hingenommene Pharmamall, sondern über den eigenen Dienstleister. Mehr Aufwand, höhere Kosten und der Patient erhält sein Arzneimittel nicht innerhalb von zwei Stunden, sondern frühestens am nächsten Tag. Was soll das? Warum kann die Firma an Apotheken liefern, an den Großhandel aber nicht?

Halber Preis, doppelter Absatz

Doch nicht nur die Apotheker sind mit der aktuellen Situation unglücklich. Auch Hersteller Astellas ist es. „Alles, was wir wollen, ist, die Patienten in Deutschland mit Vesikur zu versorgen!“ erklärt ein Sprecher gegenüber DAZ.online. Warum das derzeit nicht klappt? „Die Ware wird im großen Stil ins Ausland verkauft, wo man höhere Preise erzielen kann. Und zwar von Apothekern. Besitzen diese eine Großhandelserlaubnis, ist das völlig legal“, sagt der Unternehmenssprecher.

Astellas bestätigte dementsprechend, dass der Großhandel selbstverständlich beliefert werde und die Direktlieferung nur eine Sicherstellung der Patientenversorgung darstelle. Im April 2016 wurde der Festbetrag erstmals festgesetzt und der Verkaufspreis entsprechend angepasst – er hat sich nahezu halbiert. Der Absatz hingegen hat sich seitdem verdoppelt. Wurden vorher 40.000 Packungen im Monat verkauft, stieg der Absatz auf 83.000 Packungen. Die Zahl der Verordnungen, die ja über die Herstellerrabatte nachvollziehbar ist, ist bei Weitem nicht im gleichen Ausmaß gestiegen. Und beim Patienten kam am Ende häufig nichts mehr oder aber zu spät an. Wo die Arzneimittel hingehen? In den Export! „Vermutlich nach Skandinavien oder Großbritannien“, heißt es von Astellas. 

Im Direktvertrieb mit Kontingentierung sehe man derzeit die einzige Möglichkeit, die Patienten in Deutschland noch sicher zu versorgen, erklärt die Firma. Kaufmännisch lohne sich das nicht. Bestellt ein Apotheker eine einzelne Packung, sei das aufgrund der Logistikkosten ein Nullsummenspiel, heißt es. Aber man habe schließlich einen Ruf zu verlieren. Es solle auf keinen Fall der Eindruck entstehen, man sei grundsätzlich gegen Exporte, aber wenn für den deutschen Markt nichts mehr bleibt, werde es schwierig.

Es braucht eine politische Lösung

Astellas arbeitet nach eigener Aussage an einer Lösung für das Vesikur-Problem – und zwar gemeinsam mit dem pharmazeutischen Großhandel.  Auch sei man zu Gesprächen mit den Apothekerverbänden bereit. Denn über diesen Weg – Großhandel und Apotheke – wolle man die Arzneimittel vertreiben. Grundsätzlich bedarf es aber einer politischen Lösung, um den Export in den Griff zu bekommen, vielleicht mit einer maximalen Export-Quote, um die nationale Versorgung zu sichern, so der Vorschlag von Astellas. Momentan ist nur die Quote für Parallelimporte durch den Gesetzgeber geregelt. Es müsse öffentlich ein Bewusstsein für das Problem geschaffen werden, findet die Firma. Bis dahin könne man nur an das Gewissen der etwa 100 Apotheker-Kollegen appellieren, die allen anderen das Leben schwermachen und darauf hinweisen, dass eine zwischenzeitliche Lagerhaltung für diese sensiblen Produkte durchaus Sinn machen würde.

Der Vorwurf an sich, dass die Lieferengpässe auch hausgemacht sind, ist nicht neu. Er wurde bereits aus den eigenen Reihen erhoben: von Fritz Becker, Vorsitzender des LAV Baden-Württemberg und des Deutschen Apothekerverbands. Er räumte bei der LAV-Mitgliederversammlung im vergangenen Jahr in Stuttgart ein, dass dieses Problem unter anderem von Apothekern (und pharmazeutischen Großhändlern) verursacht werde. Und zwar von jenen, die diese Ware ins Ausland verkaufen. Die Hersteller könnten beweisen, dass sie den Markt überversorgen, erklärte Becker damals. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

Verikur

von Gaby am 31.07.2017 um 10:47 Uhr

Es gibt in Deutschland genug Menschen die auf dieses Medikament angewiesen sind warum ins Ausland verkaufen

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Warum Problem ? Seit Ulla gewollt normales Handeslprodukt

von ratatosk am 24.02.2017 um 22:50 Uhr

Für diese Konstrukt wurde doch Ulla noch mit hohen Ämtern belohnt.
Wir müßen immer noch mit in osteuropäischen Ländern von Importeuren zusammengekauften Produkten eine vom deutschen Staat beschloßene Importquote erfüllen. Ob dabei mal ein bulgarischer, rumänischer oder griechischer Rentner mal umfällt ist der Politik und der GKV doch bis jetzt völlig egal. Wenns durch die reale - nicht die von Lauterbach und Glaeske oder irgendwelchen Apparatschicks aus der Mononpolkommission phabulierte Pharmawelt- dazu kommt, daß es Deutschland trifft, wär es auf einmal ein nationales Problem und Schande ! Man kann sich nur fragen wie solche Leute Nachts noch ruhig schlafen können. Nun ja, bei manchen leuchtet sicher schon die Anschlußverwendung am Abendhimmel

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