DAZ.Wochenschau

Der Apotheker und das Dispensierrecht für Ärzte

Stuttgart - 09.04.2016, 08:00 Uhr

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Ein Apotheker fordert in der Ärzte Zeitung, Ärzten im Notdienst das Dispensierrecht einzuräumen. Dafür gab es aus der Kollegenschaft ziemlichen Gegenwind. Reaktionen zum Aufreger der vergangen Woche, zusammengestellt und kommentiert von DAZ-online-Redakteurin Julia Borsch.

Kennen Sie das Spiel „Onkel Otto sitzt in der Badewanne“? Jeder Teilnehmer ergänzt reihum auf einem Stück Papier einen Teil des Satzes, ohne dabei zu wissen, was seine Mitspieler zuvor geschrieben haben. Dabei entstehen manchmal sehr lustige, aber auf jeden Fall meist ziemlich absurde Aussagen. Der Satz „Apotheker fordert Dispensierrecht für Ärzte im Notdienst“ könnte irgendwie auch dort zustande gekommen sein.

Er war jedoch nicht auf einem Kindergeburtstag zu lesen, wo das Spiel üblicherweise gespielt wird, sondern in der Ärzte Zeitung. Über einem Gastkommentar von Apotheker Dr. Jochen Pfeifer, der im Dispensierecht für Ärzte im Notdienst, eine Chance für die Apotheker sehen will, sich heilberuflich besser zu positionieren.

Sachliche Gründe, am Dispensierverbot festzuhalten, gibt es in Pfeifers Augen nicht. So ginge den Apothekern aufgrund der Nacht- und Notdienstpauschale kein Honorar verloren, Bedenken einer grundsätzlichen Aufweichung des Dispensierreicht auch außerhalb des Notdienstes räumt er aus und praktischerweise ließe sich das Ganze auch noch ohne Gesetzesänderung einführen. Dass die bewährte und gut begründete Trennung von Arzneimittel-Verordnung und Abgabe, die auf das 13. Jahrhundert zurückgeht, unter anderem  falsche Anreize verhindern soll, lässt  Pfeifer unerwähnt …aber geschenkt. 

DAZ.online-Redakteurin Julia Borsch

Erlaubnis für pharmazeutische Tätigkeiten?

Pfeifer schlägt eine Art Deal vor: „Die Apotheker sollen ein ärztliches Dispensierrecht im Notdienst als Chance sehen, eine Neustrukturierung der Tätigkeiten und Einkommensmöglichkeiten öffentlicher Apotheken mit dem Ziel anzugehen, zu einer mit den Ärzten arbeitsteilig organisierten pharmazeutischen Betreuung der Patienten zu gelangen.“ Kurz gesagt: Ärzte übernehmen im Notdienst mit der Dispensierung eine pharmazeutische Aufgabe. Im Gegenzug erlauben sie den  Apothekern, die professionssoziologisch laut Pfeifer ein Assistenzberuf des Arztes sind, Patienten pharmazeutisch zu betreuen.

Bei den Kollegen stießen Pfeifers Aufführungen nicht auf Gegenliebe. So findet DAZ-Chefredakteur Dr. Benjamin Wessinger in seinem stark diskutierten Kommentar sehr klare Worte: „Die pharmazeutische Betreuung der Patienten sei, wie der Name schon sagt, die Aufgabe der Apotheker. Um diese zu übernehmen, brauchten sie keine Zustimmung der Ärzte. Wenn die Apotheker wirklich wollen, sollten sie es machen. Der Vorschlag, sich die Erlaubnis der Ärzte ausgerechnet mit dem Dispensierrecht zu erkaufen, sei leider blöd.“

Viel kommentiert

Auch eine Vielzahl von Kollegen äußerte sich auf DAZ.online und auf Facebook. Hier eine kleine Auswahl:

"Mit seinem Vorschlag nehme Pfeifer jedem Patienten die Chance, arzneilich gut therapiert zu werden - denn zur Arzneitherapie gehörten immer Arzt und Apotheker!! Auch im Notdienst!! Gerade im Notdienst!!Denn da müsse auch der Gynäkologe Kinder therapieren, oder der Internist Mittelohrentzündungen behandeln", schreibt ein Kollege auf DAZ.online.

Ein anderer schlägt eine Art Gegendeal vor: „Ärzte dürfen im Notdienst dispensieren, Apotheker dürfen dafür bei Chronikern verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept als selbst ausgestelltes Folgerezept beliefern. Was würde das dem Patienten Zeit und Stress ersparen wenn er anstatt jedes Quartal nur jedes halbe Jahr oder bei Erkrankungen wie Diabetes nur einmal im Jahr zum Arzt müsste?“

Ein weiterer Vorschlag lautet, den Apothekern im Gegenzug zu erlauben, im Notfall, weil kein Arzt in Reichweite scheint, das gesamte Rx-Sortiment ohne Verordnung abgeben zu dürfen. Würde diese Forderung von einem renommierten Arzt in der DAZ veröffentlicht, sei das erlaubte Satire, kommentiert der Kollege auf DAZ.online.

Auf Facebook taucht zudem die Frage auf, ob der Arzt dann ohne Vergütung dispensiert. Denn er solle ja nicht dazu verleitet werden, teure Therapien zu verordnen, an denen er dann verdient. Auch folgende–nicht ganz ernst gemeinte Idee – ist zu lesen: „Der Arzt verkauft das Arzneimittel und schickt den Patienten in die Apotheke .Die beraten natürlich ganz kostenlos und freuen sich , dass sie noch die Umschau mitgeben dürfen.“

So unterstützen viele Kollegen, offensichtlich das Ansinnen sich als Apotheker aus heilberuflicher Sicht besser zu positionieren – aber nicht um diesen Preis. So wie es auch Benjamin Wessinger formuliert: „Die Jahrhunderte lang bewährte und gut begründete Trennung der „Geschwister“ Arzt und Apotheker aufzuweichen, in der vagen Hoffnung, im Gegenzug eine „Neustrukturierung der Tätigkeiten und Einkommensmöglichkeiten öffentlicher Apotheken“ zu erreichen - das kann doch nicht Ihr Ernst sein“, fragt er Pfeifer.

Was meinen die Ärzte?

Die Ärzte Zeitung hat übrigens Ärzte dazu aufgerufen, abzustimmen, ob sie für ein Dispensierrecht im Notdienst sind. Freitag-Nachmittag waren fast zwei Drittel (64 Prozent) dagegen. Zwar kennt man die Teilnehmerzahlen nicht, aber nach überwältigender Zustimmung für Dr. Pfeifers Vorschläge sieht das zumindest zu diesem Zeitpunkt auch bei den Lesern der Ärzte Zeitung nicht aus.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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3 Kommentare

Klare Positionierung notwendig

von Veit Eck am 09.04.2016 um 13:05 Uhr

Aufreger der Woche ja,ja,ja,

...In Zeiten der Social Media wird schnell mal auch Dampf abgelassen und dann?

Business as usual ?

Es braucht auch eine klare Linie und hier ist die Kammerversammlung gefordert, in der der Kollege ein Mandat wahrnimmt.

Deshalb: die Kammerversammlung Nordrhein wird sich mit dem Thema nochmals beschäftigen und eine klare Position einnehmen. Der Antrag dazu ist vorbereitet und wird noch am Wochenanfang an den Kammerpräsidenten in Nordrhein weitergeleitet werden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: "Kammer-Tadel für Pfeifer": Schuss ins eigene Knie

von Wolfgang Müller am 10.04.2016 um 19:55 Uhr

Ich bin ja durchaus auch Ihrer Meinung, dass Ärzte kein Dispensierrecht bekommen sollten. Das wäre ja fast so absurd, als wenn Apotheker in einer Öffentlichen Apotheke ärztliche Verschreibungen im Rahmen von MM-Hausapotheken-Selektivverträgen freigeben müssten, und damit für Rx-Therapien die Letztverantwortlichkeit übernehmen würden. Ohne anschließend davon abgehalten zu werden, mit den freigegebenen, vielleicht um eine WW bereinigten und noch um ein Statinchen ergänzten Rezepten dann ihre Arzneimittelumsätze zu machen ...... Aber DAS will ja auch in NRW natürlich keiner, oder?

Im Ernst, wenn sich die Kammer NRW dann zu Dr. Pfeifers schröcklicher Entgleisung "klar positioniert" hat: Kriegt er dann einen Tadel? Mit Eintrag ins Kammer-Klassenbuch? Und: Wer tadelt dann eigentlich mal den ganzen DAT 2014 (inkl. meiner Wenigkeit), der in geistiger Umnachtung das in o.g. (hoffnungslose ) Richtung weisende "Perspektivpapier für die Öffentliche Apotheke" verabschiedet hat? Statt mit gleichem Wortlaut ein "Perspektivpapier für das Berufsbild ´Medikationsmanager´, unabhängig von der Öffentlichen Apotheke"? Was ein schönes Berufsbild ist, allerdings: Eben auch nicht NUR für Apotheker!

Ganz klar: In Wirklichkeit ist Kollege Pfeifer in dieser Beziehung einfach viel ehrlicher und weiter als diese ganze Kammer, so zweifelhaft sein letzter Vorschlag auch sei.

notdienst

von nelles am 09.04.2016 um 13:03 Uhr

Wer hat Herrn Pfeiffer autorisiert solche unsinnigen Statmands abzugeben, die dem gesamten Berufsstand schaden zufügen, nur weil er zu faul ist im Notdienst die Patienten zu versorgen und zu beraten.
Wenn ich ihn kennen würde, könnte ich Ihm meine handfesten Argumente entgegenschleudern.
für mich ist das Nestbeschmutzung aus niedern Motiven und sollte bestraft werden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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