Initiative geht online

Neue Portale informieren kritisch über Homöopathie

Stuttgart - 05.04.2016, 18:00 Uhr

Die Initiative nimmt die Risiken der Homöopathie unter die Lupe. (Foto: Bilderbox)

Die Initiative nimmt die Risiken der Homöopathie unter die Lupe. (Foto: Bilderbox)


Die rund 60 Unterstützer des „Informationsnetzwerks Homöopathie“ haben am Dienstag Webseiten für interessierte Laien sowie Ärzte und Apotheker online gestellt. Sie wollen „sachliche Informationen aus kritischer Sicht“ anbieten - und die Apothekenpflicht abschaffen.

Nur gut zwei Monate, nachdem das Informationsnetzwerk Homöopathie Ende Januar in Freiburg gegründet wurde, stellt es die angekündigten Informationsplattformen online. Die Seite www.netzwerk-homoeopathie.eu richtet sich an Laien, die sich über Globuli und Co informieren wollen, während die eher technisch gestaltete Homöopedia.eu wissenschaftlich interessierte Ärzte oder Apotheker ansprechen soll.

„Uns geht es darum, im Netz leicht auffindbare, kostenlose Information anzubieten, um sich neutral und sachlich über Homöopathie zu informieren“, sagt die Homöopathie-Aussteigerin Natalie Grams gegenüber DAZ.online. Sie leitet die Initiative, die von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften getragen wird. „Das Netzwerk Homöopathie richtet sich an Laien und an der Homöopathie interessierte Ärzte, die immer wieder Sprüche hören wie ‚Wer heilt, hat recht‘“, sagt Grams. Ihr ginge es darum, ein Gegengewicht zu den vielen rein positiven Schilderungen im Internet aufzubauen.

Ziel sei es außerdem, verständliche deutsche Bezeichnungen für die Mittel einzuführen – und die Apothekenpflicht abzuschaffen, welche Globuli nach Ansicht der Initiative eine falsche Aufwertung gibt. „Im Grunde ist es ja ein enormer Widerspruch, einerseits die wissenschaftliche Medizin mit ihren Institutionen grundsätzlich abzulehnen, andererseits trotzdem darauf zu bestehen, als Pharmakotherapie wahrgenommen zu werden“, schreibt das Netzwerk

Die Initiative greift bekannte Argumente auf

Aus Sicht der Initiative sei es laut Grams zwar nicht schlimm, homöopathische Mittel bei leichten Erkältungen zu nehmen, wo die Beschwerden eh wieder vergingen. „Aber es kann gefährlich werden, wenn man gelernt hat, sich auf die Homöopathie zu verlassen“, sagt die Medizinerin. Daher hätten die Mitglieder des Netzwerks Fragen und Antworten zur Homöopathie zusammengestellt und Widersprüche aufgezeigt, die sich aus ihrer Sicht ergeben. „Die Argumente, die wir aufgreifen, habe ich selbst früher immer wieder genannt“, räumt Grams ein.

Außerdem sammelt die Initiative Fallbeispiele, bei denen Patienten durch Unterlassung notwendiger nicht-homöopathischer Behandlung zu Schaden kamen. So den Fall einer Schwangeren, die durch eine schwere, unklare Infektion beinahe ihr Kind verlor, während sie durch eine auch homöopathisch ausgebildete Gynäkologin behandelt wurde – oder Fälle von Krebspatienten, die von Heilpraktikern nicht ausreichend behandelt wurden und verstarben.

Wird mit zweierlei Maß gemessen?

In einer Stellungnahme zu der kritischen Initiative hatte der Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) kritisiert, dass mit zweierlei Maß gemessen werde: Die Vereinsvorsitzende Cornelia Bajic zeigte sich erstaunt, dass Homöopathiekritiker Einzelfälle anführen, die sie ansonsten als anekdotische Beweisführung ablehnten – und vermutete eine Kampagne gegen die „integrative Medizin“. „Wir wollen mit diesen Fällen nichts anderes machen als zu zeigen, dass die positiven Anekdoten nicht die einzigen sind“, entgegnet Grams. Wenn eine homöopathische Behandlung keinen positiven Ausgang nimmt, würden Patienten ihrer Erfahrung nach nur ungern darüber reden. „Schwere Fälle werden von den Patienten oft mit Scham und Schuldgefühlen wahrgenommen, als dürfte man nicht negativ über Homöopathie sprechen“, sagt die Medizinerin.

Neben dem Informationsportal will die Initiative mit Comic-Zeichnungen junge Eltern ansprechen. Im Onlinelexikon Homöopedia.eu sollen außerdem nach und nach wissenschaftliche Artikel die Grundbegriffe der homöopathischen Heilkunde kritisch beleuchten, beispielsweise die homöopathische Arzneimittelprüfung. Geplant sind laut Grams ungefähr 200 Artikel, bisher wurden jedoch erst sechs erstellt – mit langen Listen von Referenzen. „Das Lexikon hat einen Review-Prozess wie in wissenschaftlichen Fachmagazinen“, sagt sie.

Grams rechnet mit Gegenreaktionen auf die Informationsportale, fürchtet aber, dass es kaum zu einem sachlichen Austausch kommen wird. Sie ist guten Mutes, dass die Angebote auf Interesse stoßen: Schon die Ankündigung ihrer Initiative war in vielen überregionalen Medien aufgegriffen worden, und auch zur Pressekonferenz am Dienstag kamen laut Grams wieder große Zeitungen. „Wir hoffen, dass wir Patienten erreichen, die bisher oft nicht wussten, was Homöopathie eigentlich ist“, sagt sie. Zwar schwörten laut einer Umfrage 80 Prozent der Befragten auf Globuli, doch nur 17 Prozent wüssten, wie Homöopathie funktionieren soll. 


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


4 Kommentare

Dieser Kommentar wurde von der Redaktion aufgrund eines Verstoßes gegen die allgemeinen Verhaltensregeln gelöscht.

Homöopathie ist ein Betrug an hilfesuchenden Patienten

von Dr. Edmund Berndt am 09.04.2016 um 15:52 Uhr

Die aber ohne jeden Zweifel auftretenden und beobachtbaren Wirkungen der Homöopathie vermag die moderne Medizin sehr wohl zu erklären. Es mögen hier die Stichworte Placebowirkung, Erwartungshaltung, Zufall, Selbstheilung, falsche Diagnosen und das Auf und Ab chronischer Erkrankungen genügen. Darüber gibt es mehr als genug Studien und Belege und es gibt darüber in seriösen Kreisen keine Diskussion.

Diskussionen kommen durch die Verfechter der Homöopathie auf, die immer wieder diverse Studien nach Wunschergebnissen abklopfen. Trotz negativer Sachlage werden ständig neue wissenschaftliche Studien verlangt. Dahinter verbirgt sich die Argumentation, dass bis jetzt die Homöopathie nicht richtig wissenschaftlich bzw. nur unsachgemäß geprüft wurde.

Darüber hinaus ist zu sagen, dass, wenn man selektiv sucht, sich aus vielen Studien einzelne Ergebnisse bzw. Teil- od. Zwischenergebnisse finden lassen, die dann als Beweis für eine positive Studie ausposaunt werden können. Es ist aber nicht zulässig und eigentlich eine grobe Irreführung, um nicht zu sagen eine bewusste Täuschung, mit aus dem Zusammenhang heraus gerissen Daten und unter außer Acht lassen der zum weitaus überwiegenden Teil negativen Studien oder Ergebnisse zu verkünden, dass nunmehr endlich und endgültig die Wirksamkeit der Homöopathie bewiesen wurde. Wohlgemerkt, das wäre die spezifische kausale Wirkung irgendeiner bestimmten Hochpotenz

Homöopathie ist nicht scientabel, wie im Buch die Homöopathie-Lüge (Christian Weymayr, Nicole Heißmann) ausgeführt wird. Homöopathie ist genauso unwissenschaftlich wie Handlesen und Kartenlegen und daher auch nicht naturwissenschaftlich beweisbar und erforschbar. Homöopathie wird aber nicht als Aberglaubensmedizin vermarktet, sondern als eigentlich wirksame Alternative. Es steht in keinem Prospekt der Warnhinweis zu lesen: Achtung! Diese Arznei wirkt nur scheinbar. Das Unterlassen einer anerkannten bewährten medizinischen Behandlung kann zu längerer Krankheitsdauer, Dauerschäden und Tod führen!

Homöopathie wirkt nicht ursächlich kraft chemisch physikalischer Eigenschaften. Den Hochpotenzen kommt keine Wirkung zu. Es wirkt das heilige Hahnemannsche Brimborium, das die Homöopathen mit ihren Gläubigen zelebrieren. Wenn ein Medizinmann ein verrenktes Knie mit einem Affenknochen beschwört, gibt es auch nichts zu beforschen.

An der Wirkungslosigkeit unter Berücksichtigung der Placebowirkung etc. ändert auch die gesetzliche Zulassung homöopathischer Behandlungen und Mittel nichts. Die Homöopathie ist per Gesetz davon befreit, ihre Wirksamkeit gleich anderen Medikamenten und Verfahren nachzuweisen. Im Weltbild der Homöopathie hat der Placeboeffekt logischerweise keinen Platz. Wenn die Homöopathie den Placeboeffekt in allen seinen Facetten anerkennt, dann widerlegte sie sich selbst.

Homöopathie ist heute noch nicht von Interesse für Kulturanthropologen. Gemessen an den sonst üblichen und notwendigen Vorschriften, Standard und Prüfungen ist Homöopathie heute eigentlich nur noch ein Aberglauben der Volksmedizin. Es ist ja durchaus interessant, was da so alles an Heilungsbräuchen üblich ist. Wenn das so weiter geht, werden dann eines nicht mehr fernen Tages Forscher aus höher entwickelten Kulturen mit besserem Verständnis in Naturwissenschaften, Biologie und Medizin unsere Gegenden bereisen und Studien über die Volksmedizin im 20. und 21. Jahrhundert anstellen und sich Gedanken darüber machen, wie und unter welchen Umständen sich der Glaube an Homöopathie und Hahnemann so lange halten hat können und welche Faktoren für die Renaissance dieses Aberglaubens 300 Jahre nach der Aufklärung dafür verantwortlich sind.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

"erstaunt, dass Homöopathiekritiker Einzelfälle anführen, die sie ansonsten als anekdotische Beweisführung ablehnten"

von Stefan Gerhold am 06.04.2016 um 16:43 Uhr

Das kommt darauf an, *was* man beweisen will. Will man beweisen, dass es Fälle gibt, wo durch eine ausschließlich "alternativmedizinsche" Behandlung jemand zu Schaden kam: Nun, dann reicht es, solche Fälle anzuführen. Will man hingegen beweisen, dass Homöopathie besser wirkt als ein Plazebo, dann reicht es *nicht*, Einzelfälle anzuführen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Ernsthaftigkeit ?

von Reinhard Rodiger am 06.04.2016 um 1:09 Uhr

Auffällig ist, dass der erste Satz der Einleitung zum "Organon" von Hahnemann offensichtlich keine Rolle mehr spielt:
" So lange es Menschen gab, waren sie auch einzeln, oder in Menge Erkrankungen ausgesetzt von physischen oder moralischen Ursachen her.In noch rohem Naturzustande bedurfte man der Hilfsmittel wenige, da die einfache Lebensweise wenige Krankheiten zuliess.Mit der Bildung der Menschen im Staate wuchsen die Veranlassungen zum Erkranken und das Bedürfnis von Hilfe dagegen".

Es geht also schon damals um anscheinend nicht lösbares, aber reales.Das ist heute nicht anders. Es geht also nicht um Naturwissenschaft, sondern um Hilfe-bei " moralischen Ursachen". Die Elimination der Hilfe löst das Problem??

Schon damals war die Sicht klarer als heute.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.