Wenn der Staatsanwalt droht...

Kassen im Kriminalisierungs-Wahn

Frankfurt - 09.03.2012, 17:14 Uhr


Die Leistungserbringer im Gesundheitswesen sollten ihre Kräfte bündeln und den Krankenkassen, die sie immer wieder kriminalisieren, öffentlich entgegentreten. Hierzu rief heute Rechtsanwalt Dr. Heinz-Uwe Dettling auf. Die Kassen, so sein Vorwurf, hätten in den letzten Jahren ihre Lobby massiv genutzt, um Apotheker und andere Leistungserbringer aus wirtschaftlichem Interesse zu diskreditieren.

Schlagzeilen zu falschen Abrechnungen und Betrügereien im Gesundheitswesen sind allgegenwärtig. Dettling zufolge handelt es sich dabei um ein gesellschaftspolitisches Ablenkungsmanöver der Krankenkassen. Mittels „Legendenbildung“ versuchten sie, sich zusätzliche Einnahmen zu schaffen. So werde suggeriert, es gebe ausreichend Wirtschaftlichkeitsreserven im System – wenn nur die Leistungserbringer nicht betrügen würden. Die Kassen selber sähen sich auf der guten Seite und überzögen unter anderem Apotheker mit Strafanzeigen. Dies gehe einher mit Pressemitteilungen und Rückzahlungsforderungen. Verlaufen die Anzeigen jedoch im Sande, so schweigen die Kassen.

Beispiel Metoprolol: Im vergangenen Jahr hatte sich die AOK für diesen Wirkstoff bekanntlich einen Rabattpartner ausgesucht, der zunächst nicht lieferfähig war. In einer Reihe von Apotheken wurde daraufhin an AOK-Versicherte ein anderes Metoprolol-Präparat abgegeben, aber mit der PZN des nicht verfügbaren Präparates abgerechnet, die ihre EDV vorgab. Die AOK Baden-Württemberg startete mit Strafanzeigen gegen Apotheker wegen angeblichen Betrugs. In den Medien wurde dies breit aufgegriffen. Einige Monate später ist allerdings festzustellen, dass die Verfahren bislang alle eingestellt wurden. Zumeist wegen Geringfügigkeit und daher ohne nähere rechtliche Prüfung – in den meisten Fällen ging es um Beträge von fünf bis 20 Euro pro Apotheke und Monat. Doch Dettling kann in dem Vorgehen der Apotheken auch „nicht die Spur eines Betruges“ erkennen. Es habe sich um „völlig falsche“ Anschuldigungen gehalten – eine Rehabilitation der Apotheker in der Allgemeinpresse habe jedoch nicht stattgefunden.

Dies ist nur ein Fall von vielen, wie Krankenkassen mediale Effekte zulasten von Apotheken bewirkt haben. Aus Sicht von Dettling werfen die Methoden der Kassen ihrerseits strafrechtliche Fragen auf: Sie könnten sich etwa dem Vortäuschen einer Straftat oder der falschen Verdächtigung strafbar gemacht haben. Unter Umständen gar der Erpressung, indem sie die Leistungserbringer unter dem Druck von Ermittlungsverfahren ungerechtfertigt zu Rückzahlungen gedrungen haben. Dettling sieht durch den „Kriminalisierungs-Wahn“ der Kassen bereits den Rechtsstaat beschädigt.

Die Leistungserbringer müssen daher aus Sicht des Anwaltes für Aufklärung der Öffentlichkeit sorgen. Die einseitige Öffentlichkeitsarbeit der Krankenkassen brauche auf jeden Fall ein Gegengewicht. Nötig sei eine große Allianz von Industrie, Ärzten, Apothekern und Krankenhäusern. „Wer kämpft, kann gewinnen, wer nicht kämpft, hat schon verloren“, so Dettling.


Kirsten Sucker-Sket